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Federer macht es spannend wie nie

»Traum-Halbfinale« gegen Tommy Haas - Tomas Berdych konkurriert mit Fußballern

Von Alexander Grohmann
und Hans Peter Tipp
Halle (WB). Der Champion zeigt Schwächen, und die Herausforderer stehen bereit. Vor dem entscheidenden Wochenende war die Frage nach dem späteren Sieger bei den Gerry Weber Open lange nicht mehr so offen wie in diesem Jahr. Wir stellen die Halbfinalisten vor.

Roger Federer
Der Weltranglisten-Erste strebt Historisches an. Zwei Siege fehlen dem 24 Jahre alten Schweizer nur noch, um mit dem legendären Björn Borg gleichzuziehen. Der Schwede gewann einst 41 Spiele auf Rasen in Folge. Das kann Federer auch - wenn er hier in Halle in diesem Jahr zum vierten Mal in Folge gewinnt. Allerdings muss der dreimalige Wimbledon-Champion in diesem Jahr ordentlich schuften. Gegen den erst 20 Jahre alten Franzosen Richard Gasquet, der inzwischen seine Teilnahme in Halle für die nächsten Jahre zugesagt hat, benötigte er 2:14 Stunden, um überhaupt das Viertelfinale zu erreichen. Und auch am Freitag mussten die Fans um den in diesem Jahr gar nicht so souveränen Souverän bangen. Da war Federer schon so gut wie ausgeschieden, als er gegen den Belgier Olivier Rochus doch noch vier Matchbälle abwehrte und nach 2:45 Stunden seine sechste Chance auf den Sieg nutzte. Federer 2006 - das ist bislang nicht diese spielerische Eleganz, mit der der Schweizer bislang seine Rasenkonkurrenten dominiert hatte. Federer 2006: Das ist statt dessen tolle und spannende Unterhaltung, aber auch Arbeit ohne Ende. Denn so lange wie in diesem Jahr stand die Nummer Eins der Tenniswelt noch nie in Halle auf dem Platz. Das Match gegen Rochus war sein bislang längstes bei den GWO. Dabei wirkte der Schweizer vor allem mental häufig nicht so stark wie gewohnt: So viele Fehler wie in diesem Jahr hat er sich in den Vergangenheit nicht geleistet. Für die Zuschauer hat das jedoch auch eine gute Seite: So spannend wie in diesem Jahr waren Federers Auftritte in Halle noch nie.

Tommy Haas
Zwei Turniere gewonnen: 2006 fing für Thomas Haas trotz der Davis Cup-Pleite in Halle so vielversprechend an. Eine Lebensmittelvergiftung und eine lästige Pollenallergie stoppten dann allerdings den Höhenflug des gebürtigen Hamburgers in der Weltrangliste. Doch der talentierteste deutsche Tennisspieler seit Becker und Stich ist rechtzeitig wieder fit geworden - für Halle und natürlich auch für Wimbledon. In dieser Woche ist Haas wunschlos glücklich: Am Mittwoch erlebte der Fußballfan mit seinen Davis Cup-Kollegen in Dortmund den 1:0-Erfolg der deutschen Kicker - ein Adrenalinkick, der ihn an diesem Samstag auch noch im Halbfinale gegen den Turnierfavoriten Roger Federer beflügeln sollte Vor einem Jahr endete das Duell 6:4 und 7:5 für den Schweizer - ebenfalls im Halbfinale. Dieses Mal will »Tommy« es besser machen.

Tomas Berdych
In Halle fühlt sich Tomas Berdych wie zu Hause. Und das, obwohl der 20-Jährige noch nie zuvor bei den GWO war. »Ich habe zwei Jahre lang für Halle in der Bundesliga gespielt«, erinnert sich Berdych an die Zeit beim TC Blau-Weiß. In diesem Jahr beginnt für Berdych in Halle eine neue Zeitrechnung: Mit dem Halbfinal-Einzug hat der Tscheche den größten Rasen-Erfolg seiner Karriere perfekt gemacht. Dabei gehört das Grün nicht zu seinen Vorlieben. »Als Junior stand ich in Wimbledon mal im Halbfinale«, erinnert sich Berdych. Auf der Profi-Tour ist ihm Ähnliches noch nie gelungen. Der Siegeszug könnte weiter gehen. Einziges Problem: In Tschechien interessiert die tolle Berdych-Serie im Moment kaum einen. Die WM steht im Focus. »Ich kann verstehen, dass die Leute im Fußballfieber sind«, betont der Tscheche.

Kristof Vliegen
Kristof Vliegen ist mit breiter Brust ins Halbfinale von Halle gestürmt: »Gegen wen ich spiele, ist mir eigentlich egal«, lautet das Motto des Belgiers in dieser Woche. Vliegen weiß halt, was er kann und hat offenbar das Potenzial, um sich in der Weltspitze zu etablieren. Mit Kim Clijsters ist Vliegen seit gemeinsamen Kinderjahren im selben Tennis-Internat befreundet. Als die Belgierin Nummer eins der Welt wurde, schickte Vliegen ihr eine SMS. Sollte der 1,93 Meter große Belgier in Halle an diesem Wochenende weiter für Furore sorgen, kann sich Clijsters in Kürze revanchieren.

Artikel vom 17.06.2006