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Sprache ebnet den
(Erfolgs-)Weg ins Leben

Projekt ermöglicht Förderung in 90 Kindertagesstätten

Von Stefanie Westing
(Text und Foto)
Sennestadt/Bielefeld (WB). Dass es »der Pullover« und »die Schuhe« heißt, wissen die Jungen und Mädchen der Mathias-Claudius-Kindertagesstätte in Sennestadt natürlich. Vor ein paar Monaten war das vielleicht aber noch nicht bei allen der Fall. Denn erst seit Anfang des Jahres erhalten die Vorschulkinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, gezielte Sprachförderung.

Am Donnerstag informierten sich Oberbürgermeister Eberhard David und Sparkassen-Vorstandsvorsitzender Hans-Georg Vogt über die ersten Ergebnisse des bundesweit einmaligen Projektes. Dafür stocken Stadt und Sparkasse die Landesmittel auf. Für die Qualifizierung und Koordination der Maßnahme mit dem Namen »Miteinander leben, miteinander reden: Sprachförderung - gut für Bielefeld« sorgt der Dienstleistungspool »Job-Scout« der Arbeiterwohlfahrt (AWO).
Schon nach kurzer Zeit sind Erfolge sichtbar. Inzwischen arbeiten viele Eltern mit, begleiten die Kinder zum Beispiel bei Besuchen in der Stadtteilbibliothek. »Wir haben ganz bewusst auch Migrantinnen für den Unterricht gesucht, die zu den Eltern vermitteln können«, berichtete Karin Hecht von der Agentur Job-Scout. So werde immerhin die Hälfte bis zwei Drittel der Eltern erreicht.
Im November, wenn die Sprachförderung in die nächste Phase geht, werden etwa 2000 Kinder aus ganz Bielefeld in 90 Kindertagesstätten in deren Genuss kommen. »Die AWO beschäftigt dann 120 Mitarbeiter eigens für diesen Bereich«, betonte AWO-Bezirksgeschäftsführer Wolfgang Stadler. Während die Kinder, die nach den in Kürze beginnenden Sommerferien eingeschult werden, nur ein halbes Jahr lang Sprachförderung erhalten konnten, sieht die nächste Phase eine durchgehende, zweijährige Förderung vor, die mit dem vierten Lebensjahr beginnt und bis zur Einschulung fortgesetzt wird. »Damit erreichen wir 90 bis 95 Prozent aller Kinder - denn nicht jedes Kind besucht ja einen Kindergarten«, erklärte Oberbürgermeister Eberhard David, der sich selbst als Verfechter einer Kindergartenpflicht bezeichnete. Denn: »Der Lebensweg eines Kindes ist vorgezeichnet, wenn es in die Schule kommt und nur 50 oder 60 Prozent von dem versteht, was gesagt wird. Wir wollen in Bielefeld jedem Kind die Chance geben, dem Unterricht folgen zu können. Und der Intelligenzquotient hängt ja nicht vom Herkunftsland ab.« Sprachförderung, meinte der Oberbürgermeister, müsse die Kommune zur Pflichtaufgabe machen.
Auch Hans-Georg Vogt, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Bielefeld, zeigte sich beeindruckt. Sein Kreditinstitut werde sich weiterhin engagieren: »Wir fühlen uns der Region verpflichtet, haben aber auch wirtschaftliche Interessen: Denn in Nordrhein-Westfalen hat jeder vierte Bürger einen Migrationshintergrund. Und die demographische Entwicklung wird auf Migration nicht verzichten können.«

Artikel vom 15.06.2006