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Frauen genießen WM-freie Zone

In Warburg organisieren Kino und Geschäfte ein Alternativprogramm

Von Christian Althoff
und Harald Iding (Fotos)
Warburg (WB). Schicke Schuhe anprobieren und Tränen lachen, statt dem Ehemann beim Fernsehen zuzuschauen: In Warburg (Kreis Höxter) haben Kinobesitzer Dr. Heribert Schlinker und Einzelhändler zur Fußball-WM ein alternatives Frauenprogramm organisiert.
Im Kino zeigt Resi Borghoff ihrer Kundin Mechthild Sauerland Sommerschuhe.

Dienstag um 19 Uhr im »Cineplex«. In einer Stunde beginnt die Komödie »In den Schuhen meiner Schwester«, doch schon jetzt schlendern etwa 120 Frauen durchs Foyer. Dort stellt Schuhhausbesitzerin Resi Borghoff passend zum Film 100 Paar Schuhe zur Schau, die von den Kinobesucherinnen anprobiert werden. »Frauen möchten auch mal in entspannter Atmosphäre shoppen, und dies ist eine gute Gelegenheit«, sagt Gisbert Borghoff, der die Kinobesucherinnen mit einem Glas Sekt begrüßt - wie Sabine Derenthal, die mit 13 Freundinnen aus dem Nachbarort Eissen gekommen ist: »Klasse, dass man zur WM auch an uns Frauen denkt. Wir freuen uns auf einen tollen Abend!«, strahlt die 38-Jährige und nippt an ihrem Sekt. Die Deutschland-Spiele schaue sie sich zwar auch an, aber die restlichen Begegnungen. . .  »Da reicht es mir völlig, wenn ich irgendwann das Ergebnis erfahre.«
»Unser Kino ist WM-freie Zone«, schmunzelt »Cineplex«-Chefin Judith Schlinker, die das Alternativprogramm zusammen mit ihrem Vater auf die Beine gestellt hat. Wenn am 15. Juni Schweden gegen Paraguay antritt, wird »Der Duft von Lavendel« gezeigt. Im »Vorprogramm« berät und schminkt die Warburger Parfümerie Kohlschein. Zum Spiel Niederlande - Argentinien am 15. Juni läuft »Wie im Himmel«, und den Besucherinnen werden »himmlische Handmassagen« geboten. Am 22. Juni versüßt das Café Blome den Film »Chocolat« mit Kostproben, und am 27. Juni lädt Friseur Hartmut Börnecke zum Hairstyling ein, bevor »Stolz und Vorurteil« gezeigt wird. »Das spielt 1813, und damals hatten die so verrückte Frisuren«, erklärt Judith Schlinker lachend.
Als gegen 20 Uhr im Kino 2 der Film mit Cameron Diaz, Toni Collette und Shirley MacLaine beginnt, haben es sich Sabine Derenthal und ihre Freundinnen mit Popcorn in den Sesseln bequem gemacht. Zwölf Kilometer entfernt sitzt ihr Ehemann Josef gar nicht so entspannt vor dem Fernseher und verfolgt die Zusammenfassung des Spiels Frankreich-Schweiz. Der Polizeibeamte kickt in der Altherrenmannschaft des FC Peckelsheim-Eissen-Löwen und hat sich auf die Weltmeisterschaft gefreut »wie auf Weihnachten«, wie er sagt. »0:0 - das haben sich die Franzosen auch anders vorgestellt«, meint der Fußballfan enttäuscht. Aber der Abend ist ja noch nicht vorbei. In einer Stunde trifft sich Josef Derenthal mit ein paar Freunden, um beim Spiel Brasilien-Kroatien mitzufiebern - ganz ohne schlechtes Gewissen: »Schließlich haben unsere Frauen heute Abend ja auch ihren Spaß!«

Artikel vom 15.06.2006