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Als Oma auf
den Brettern
bei Störtebeker

Ingrid van Bergen wird 75 Jahre alt

Bielefeld (WB/bo). Natürlich hat sie noch diese rauchig-markante Stimme, natürlich kommt sie immer noch etwas schnoddrig daher und natürlich hat Ingrid van Bergen nach wie vor keine Scheu, aus ihrem Leben zu erzählen. An diesem Donnerstag wird die Schauspielerin 75 Jahre alt.
Der Staranwalt und die »Angeklagte«: Rolf Bossi mit Ingrid van Bergen.Foto: teutopress

Allerdings feiert die Unermüdliche ihren runden Ehrentag nicht auf ihrem Bauernhof mit den vielen Tieren in Eyendorf ein paar Kilometer westlich von Lüneburg, sondern auf Rügen. Genauer: in Raalswiek, wo sie sie bei den Störtebeker-Festspielen auftritt.
Dass Ingrid van Bergen immer noch ihren ganz eigenen Stil hat, davon konnten sich jüngst die Zuschauer der NDR-Talkshow überzeugen. Dieses Leben mit all seinen Höhen und Tiefen, das hat sie verinnerlicht - und wie es scheint bewältigt. Ein bisweilen hartes Leben, das sie gelehrt hat, sich niemals unterkriegen zu lassen.
Die Härte beginnt denn auch mit der Kindheit. 1931 in Danzig geboren, musste die Familie im Krieg aus Ostpreußen fliehen. Sie ist nicht untergegangen in dem Boot, aber viele ihrer Klassenkameraden sind mit der »Wilhelm Gustloff« in der eisigen Ostsee versunken. Auch der Anfang im Nachkriegs-Hamburg war nicht eben leicht. Das Geld für die Schauspielschule verdiente sie sich als Taxi-Girl in einer Bar.
Und dann endlich der Aufstieg. Ihr 13. Film, »Rosen für den Staatsanwalt«, von Wolfgang Staudte mit Martin Held und Walter Giller in den Hauptrollen wurde zum Klassiker. Als Restaurantbesitzerin Lissy machte sie in dem 1959 inszenierten Film eine gute Figur. Bis in die späten 60er Jahre gehörte Ingrid van Bergen zu den bedeutendsten deutschen Schauspielerinnen und spielte mit Größen wie Heinz Zühmann und O.W. Fischer. Sie machte auch politisches Kabarett und spielte Theater in Berlin.
Schlagzeilen der besonderen Art machte die Diva, als sie in der Nacht vom 2. auf den 3. Februar 1977 im Affekt ihren Lebensgefährten Klaus Knaths erschoss. Ihre beiden Töchter waren damals elf und 18 Jahre alt. Der folgende Prozess, in dem sie von Staranwalt Rolf Bossi verteidigt wurde, löste einen enormen Medienrummel aus. Vier Jahre saß sie im Frauengefängnis und wurde danach wegen guter Führung entlassen. An ihre alte Schauspielkarriere konnte sie jedoch nie mehr anknüpfen. Es waren meist Nebenrollen in Film und im Fernsehen, die sie bekam. Aktuell ist sie halt die Oma Foelke tom Broke im Störtebeker-Stück »In Henkers Hand«. Premiere ist am 24. Juni.

Artikel vom 15.06.2006