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21 statt 36 - weniger ist mehr

Änderungen greifen: Schiedsrichter Jorge Larrionda ist der Gewinner

Von Elmar Neumann
Kaiserslautern (WB). Italien gegen die USA - der Brutalo-Ball am zweiten Spieltag der Gruppe E endete unentschieden und hatte doch zwei große Gewinner: Schiedsrichter Jorge Larrionda, der fein pfeifende Vogelzüchter aus Uruguay, sowie den Fußballweltverband.

Innerhalb von nur 19 Nettominuten traf der selbstbewusste Südamerikaner drei folgenschwere Entscheidungen: Rot für den Ellenbogen-Experten Daniele De Rossi (28. Minute), Rot für den ungestümen US-Boy Pablo Mastroeni (45.) und die Ampelkarte für den ausgesprochen aggressiven Eddie Pope (47.). Larrionda machte aus »elf gegen elf« ein »zehn gegen neun« und verdiente sich für diese drei Taten keinerlei Tadel, sondern echtes Lob.
»Die Partie ist ihm nie aus den Händen geglitten«, urteilte die italienische Zeitung »Gazzetta dello Sport«, die allein Azzurri-Antreiber Andrea Pirlo besser bewertete als den fast fehlerfreien Referee. Auch Deutschlands größtes Boulevardblatt hatte sich von dem 38-Jährigen ein sehr gutes Bild gemacht und verteilte verdientermaßen die Note 1 - große Genugtuung für den Ausgezeichneten, aber vor allem auch für die FIFA um Präsident Sepp Blatter, einer von 46 000 Augenzeugen dieses denkwürdigen Duells im Fritz-Walter-Stadion.
Nicht nur Blatter sind die dunkelsten Stunden der Männer in Schwarz nämlich noch exakt in Erinnerung. Vor vier Jahren in Japan und Südkorea war alles anders. Da machten viele fatale Pfiffe selbst den sonst so geschwätzigen Schweizer sprachlos. Nur zur Erinnerung: Am Ecuadorianer Byrom Moreno verzweifelte im Halbfinale gegen Gastgeber Südkorea ganz Italien. Inklusive dieser Partie wurden der Trapattoni-Truppe in jenen Titelkampftagen fünf reguläre Tore aberkannt.
Ein Schiedsrichterskandal mit Folgen. Die FIFA besetzte die Referee-Kommission neu, bildete feste Schiedsrichtergespanne, legte noch strengere Maßstäbe an und verkleinerte den elitären Kreis der (vermeintlich) besten Unparteiischen erheblich. In Japan und Südkorea waren 36 Schiris aktiv, in Deutschland sind es nur noch 21: »Weniger ist mehr«, lautet das Motto, das Dr. Markus Merk & Co. mit Leben füllen. Der Weltschiedsrichter aus Deutschland bekam für seinen souveränen Auftakt-Auftritt im Spiel der Niederlande gegen Serbien-Montenegro ebenso die Note 1 wie am Samstag seine Kollege aus Uruguay.
Die Zunft rehabilitiert sich und weiß sich sogar von Fortuna begünstigt. So stellte Australiens Übungsleiter Guus Hiddink nach dem 3:1-Erfolg der Seinen über Japan erleichtert fest: »Der Schiedsrichter wird glücklich über dieses Ergebnis sein.« Den drei Treffern der Aussies war ein Fehl-Pfiff des Ägypters Essam Abdel Fatah vorausgegangen, der beim Führungstor der Japaner ein klares Foul an Torwart Mark Schwarzer übersehen hatte.
Abgesehen davon, entgeht den mit 33 000 Euro belohnten »Refs« kaum etwas. Damit das auch in der K.o.-Runde so bleibt, tritt bei dieser WM eine weitere Neuerung in Kraft: Bis zur WM 2002 mussten alle Schiedsrichter, deren Heimatländer im Viertelfinale standen, die Heimreise antreten, doch in diesem Jahr bleiben alle bis zum Finale. »Wir wollen die besten Referees bis zum Schluss im Turnier haben«, sagt FIFA-Sprecher Andreas Werz. Seit Samstag darf sich auch Jorge Larrionda Hoffnungen auf eine Final-Vorstellung an der Pfeife machen.

Artikel vom 19.06.2006