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Private Kassen wollen klagen

Sie lehnen jegliche Beteiligung an einem Gesundheitsfonds ab

Berlin (Reuters). Die privaten Krankenversicherungen lehnen jegliche Beteiligung an einem Gesundheitsfonds ab und wollen notfalls gerichtlich dagegen vorgehen.
Zurzeit werde geprüft, an welche verfassungsrechtlichen Grenzen die Einbeziehung der privaten Kassen in ein Fondsmodell sowie andere in der Koalition diskutierte Sanktionen stießen, sagte der Vorsitzende des Verbands der privaten Krankenversicherung (PKV), Reinhold Schulte, gestern in Berlin. Eine Beteiligung an dem von Union und SPD diskutierten Gesundheitsfonds, aus dem die einzelnen Kassen Geld bekommen sollen, würde die PKV austrocknen und ein funktionierendes Geschäftsmodell zerstören, sagte er.
Es handele sich um einen unzulässigen Eingriff in die Unternehmensrechte sowie in die Freiheitsrechte der Bürger.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach knüpfte ein Fondsmodell dagegen ausdrücklich an die Beteiligung der Privatkassen.
Die 26 Millionen privat Versicherten leisteten schon jetzt einen überproportionalen Beitrag in Höhe von 9,5 Milliarden Euro zur Erhaltung des Gesundheitssystems, etwa durch eine höhere Vergütung für Behandlungen, sagte Schulte. Zudem hätten sich im vergangenen Jahr die Altersrückstellungen in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung um neun Milliarden auf 103 Milliarden Euro erhöht. Dieser Bevölkerungskreis dürfe daher nicht weiter belastet werden.
PKV-Verbandsdirektor Volker Leienbach sagte, bei einer Einbeziehung der PKV in den Gesundheitsfonds würden die privat Versicherten doppelt belastet, weil sie zum einen den Grundbetrag in den Fonds einzahlen und darüber hinaus den Differenzbetrag zur privaten Krankenversicherung tragen müssten. Die Zusatzbelastung für den einzelnen könne dadurch bis zu 400 Euro pro Monat betragen. Es gebe »kein Solidaritätsdefizit« an der Schnittstelle zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung.
Leienbach erneuerte sein Angebot, alle freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherte in die PKV zum Standardtarif aufzunehmen, denen bisher wegen Vorerkrankungen ein Übertritt verwehrt ist. Schulte betonte, anders als in Medien dargestellt habe es kein Angebot der PKV gegeben, einen Milliardenbetrag in Form eines Zuschlags in das gesetzliche System zu zahlen.
Gesundheitsökonom Lauterbach forderte, die privaten Kassen dürften nicht außen vor bleiben. »Die Diskussion um einen Fonds macht allenfalls Sinn, wenn die Neuversicherten der PKV zu gleichen Bedingungen einbezogen werden«, sagte er.
In der Koalition wird seit Wochen über einen Gesundheitsfonds diskutiert. Unklar ist jedoch, welches Geld dort hineinfließen soll. Die SPD will die private Krankenversicherung auf jeden Fall einbeziehen, etwa durch gleiche Beiträge für gesetzlich Versicherte und Neuzugänge der PKV.
Die Union betont, die Existenz der privaten Krankenkassen dürfe nicht gefährdet werden. Unter anderem muss sich die Koalition darauf verständigen, ob und in welcher Höhe Steuermittel oder andere Einkünfte herangezogen werden.
Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ludwig Georg Braun, warf der Regierung hingegen vor, mit dem Fondsmodell die Probleme im Gesundheitswesen über weitere Belastungen von Bürgern und Betrieben lösen zu wollen.
Die Deutschen sind einer Studie zufolge skeptisch gegenüber der Gesundheitsreform. 68 Prozent befürchten negative Folgen der Reform für sich persönlich, wie eine repräsentative Befragung von TNS Infratest ergab. Im Mai waren es noch 62 Prozent gewesen. Nur 27 Prozent meinen, die Reform werde die Finanzierung des Gesundheitswesens sichern, heißt es in der gestern vorgestellten Studie.

Artikel vom 15.06.2006