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Ghana will die
afrikanische
Ehre retten

Historische Tage: Achtelfinale winkt

Von Klaus Lükewille
Köln (WB). »Oh, wie ist das schön!« Köln lag nicht mehr jenseits von Afrika, sondern ganz dicht dran. »Steht auf, wenn wenn ihr für Ghana seid!« Alle deutschen Zuschauer erhoben sich sofort. Im Stadion des Bundesliga-Absteigers umjubelten und feierten sie einen begeisternden WM-Aufsteiger.

»Wir mussten ein Zeichen für Afrika setzen«, erklärte der Mainzer Otto Addo nach dem hochverdienten und noch viel zu niedrig ausgefallenen 2:0-Erfolg gegen Tschechien. Ausgerechnet der WM-Neuling landete den ersten Sieg der Vertreter des Schwarzen Kontinents, die mit großen Erwartungen nach Deutschland gekommen waren. Ghana will Afrikas Fußballehre retten, und Trainer Ratomir Dujkovic kündigte noch größere Taten an: »Ich habe schon vor dem Turnier gesagt: Wir werden die Überraschungsmannschaft. Mit diesem Sieg sind wir auf dem richtigen Weg und können noch ein paar Schritte weiter gehen.«
Laute Trainer-Töne des Serben, der nachlegte. Frage: Kam dieser Erfolg überraschend? Antwort: »Es hat mich überrascht, dass es nur ein 2:0 geworden ist.«
Dabei lachte Dujkovic, der die ghanaische Fahne als Halstuch trug. Vor ein paar Tagen, nach dem 0:2-Fehlstart gegen Italien, war es in ihrem Würzburger Quartier gar nicht so lustig. »Da wollten sie mich schon rausschmeißen«, berichtete der Coach. »Das ist Afrika. Wir Trainer sitzen immer auf gepackten Koffern. Unser Job geht so: Der König ist tot. Es lebe der König. Heute bin ich wieder der Held.«
Aber auch auf dem Platz standen Helden; die »Black Stars« schrieben für ihr Land Fußballgeschichte. Der erste WM-Sieg - und bei einem weiteren Erfolg gegen die USA winkt jetzt das Achtelfinale. »Diese große Chance dürfen wir uns nicht entgehen lassen«, forderte der überragende Michael Essien. In dieser Partie wird allerdings der starke Angreifer Asamoah Gyan fehlen. Er schockierte die Tschechen mit dem frühen 1:0, sah aber in der 66. Minute die zweite gelbe Karte bei diesem Turnier, weil er den Elfmeter zu früh ausgeführt hatte. Den nächsten Versuch setzte er gegen den Pfosten und ärgerte sich: »Ich bin enttäuscht. Aber ich werde jetzt im Training noch mehr Strafstöße üben. Zeit genug habe ich, ich bin ja nur für ein Spiel gesperrt.«
Denn Gyan rechnet fest damit, dass er bei der WM mindestens noch einmal an den Ball kommen wird: »Das sind historische Tage für Ghana. Wir wollen möglichst lange im Turnier bleiben.«
Das wünscht selbstverständlich auch Sammy Kuffour, dem vorerst aber nur die Zuschauerrolle bleibt. Der ehemalige Profi des FC Bayern spielte gegen Italien zu schlecht, sein Vertreter verteidigte zu gut. Es gab nach dem großen Sieg im Ghana-Lager deshalb auch einen Verlierer: Kuffour ist nur noch zweite Wahl.
Tschechien: Cech - Grygera, Rozehnal, Ujfalusi, Jankulovski - Galasek (46. Polak) - Poborsky (56. Stajner), Rosicky, Nedved, Plasil (68. Sionko) - Lokvenc
Ghana: Kingston - Pantsil, Mensah, Shilla, Mohamed - Otto Addo (46. Boateng), Essien, Appiah, Muntari - Amoah (80. Eric Addo), Gyan (85. Pimpong)
Schiedsrichter: Elizondo (Argentinien)
Zuschauer: 45 000
Tore: 0:1 Gyan (2.), 0:2 Muntari (82.) Besonderes Vorkommnis: Gyan verschießt Foulelfmeter (66.)
Rot: Ujfalusi (66./Notbremse)

Artikel vom 19.06.2006