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Brocken ist vom Tisch

Ehemaliges Jagdschloss wird modernisiert

Von Maike Stahl (Text und Fotos)
Oesterholz-Haustenbeck (SZ). Wenn Roswitha Kaiser ins Schwärmen gerät, wird es Thomas Plate ein kleines bisschen mulmig. Dr. Kaiser ist Denkmalpflegerin und Thomas Plate als Leiter des Kreisaltenheimes Hausherr des wohl geschichtsträchtigsten Gebäudes in Oesterholz-Haustenbeck. Die beiden haben derzeit häufig miteinander zu tun, denn das ehemalige Jagschloss wird modernisiert.

Und Thomas Plate weiß, dass das ein Spagat wird - zwischen den Anforderungen der Heimaufsicht und den Vorgaben der Denkmalpflege. Bisher sind sich die wissenschaftliche Referentin des Westfälischen Amtes für Denkmalpflege und der Heimleiter aber immer einig geworden, bestätigen beide bei einem Ortstermin. Und ein großer Brocken ist immerhin schon vom Tisch - der Abriss des Stallgebäudes. »1984 wurden das Wohnhaus, das Eingangsportal, die Mauerreste des langen steinernen Jagdhauses und die Ecktürme in die Denkmalliste eingetragen. Das Stallgebäude war nicht dabei«, berichtet Dr. Roswitha Kaiser. »Das heißt allerdings nicht automatisch, dass es einfach abgerissen werden darf. Deshalb wurde es bei uns im Haus zunächst neu bewertet.« Die fachliche Entscheidung aus Münster ließ Plate und die Verantwortlichen des Kreises dann aber aufatmen. Das Stallgebäude stamme aus einer anderen Zeit und sei im Vergleich zu den anderen Gebäuden untergeordnet. Dem Abriss stand nichts mehr im Wege.
Nachdem der Stall abgetragen war, schlug aber auch die Stunde der Bodendenkmalpflege. Die Archäologin Antje Köllner nahm im Auftrag des Lippischen Landesmuseums ihre Arbeit am ehemaligen Jagdschloss auf. »Allerdings durfte ich nur den Teil betrachten, der von den künftigen Baumaßnahmen auch berührt wird. Das ist der Teil, in dem der neue Aufzug entstehen soll«, berichtet sie. Ihre Erwartungen wurden dabei aber nicht erfüllt. »Das ist leider alles, was ich gefunden habe«, sagt sie und hält einen durchsichtigen Plastikbeutel mit einigen Knochen, einer Glasscherbe, einem roten Stück Dachziegel, dem Fragment eines Tonpfeifenstiels sowie einigen Tonscherben hoch. »Das ist wirklich nicht viel, nichts Spektakuläres.«
Spannender seien da schon die alten Mauern, die unter dem Stallgebäude zutage getreten seien. »Ich habe eine doppelte Außenmauer und zwei Seitenmauern untersucht, bei denen es sich wohl um die Grundmauern des ursprünglichen Schlossgebäudes handelt, das zwischen 1597 und 1599 gebaut wurde«, erzählt sie. Außerdem hat sie noch den Teil einer älteren Quermauer gefunden. Möglicherweise eine Mauer der Meierei, die vor dem Schloss an derselben Stelle gestanden haben soll. »Genau bestimmen konnte ich das aber nicht, da datierte Funde fehlen«, sagt sie. »Ich würde schon gerne einmal unter das gesamte Haus gucken können.«
Das Pendant der Spuren des alten Schlosses, die Antje Köllner in der Tiefe entdeckt hat, hat Roswitha Kaiser auf dem Dachboden des Kreisaltenheimes gefunden. Zwischen Spinnenweben und Staub zieht sie geradezu liebevoll mit ihrem Finger die Konturen eines mit Schnitzereien verzierten Holzbalkens nach. »Das hier ist wirklich eine nette Entdeckung«, sagt sie. Die Fassade des Gebäudes aus dem 16. Jahrhundert sei an dieser Stelle vermutlich noch im Original erhalten. »Da kann man eine Menge dran erkennen«, freut sie sich. Und auch Thomas Plate ist gelassen - auf dem Dachboden soll ohnehin nicht gebaut werden.
»Richtig spannend wird es auch erst im zweiten Bauabschnitt, wenn die Substanz des Fachwerks angegriffen wird. Dann müssen wir alle Bauteile auf ihre Wertigkeit überprüfen«, erläutert die Architektin. Doch auch dann gelte der Grundsatz »Was unter der Tapete bleiben kann, das bleibt.« Dass es während des Umbaus noch die eine oder andere spannende Entdeckung geben könnte, hält sie durchaus für möglich. »Das Haus hier atmet einfach Geschichte.«

Artikel vom 15.06.2006