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Beim Tor gibt's Post für Poldi

SC Paderborns Trainer kennt Lukas Podolski schon aus der A-Jugend

Von Jos Luhukay
Paderborn (WB). An meine ersten gemeinsamen Tage mit Lukas Podolski kann ich mich noch sehr gut erinnern. Im Herbst 2003 leitete ich beim 1. FC Köln das Talentfördertraining. Lukas, gerade 18 Jahre alt, machte mit und fiel sofort auf; seine Unbekümmertheit und seine positive Ausstrahlung haben mich überrascht. Lukas ist ein sehr lebensbejahender und äußerst lernwilliger Mensch.

Extraschichten waren Lukas nie ein Greuel. Im Gegenteil: Er wollte schon als A-Jugendlicher immer länger und härter trainieren als die anderen. Die Übungseinheiten waren für ihn nie eine Last oder lästige Pflicht. Das ist ganz wichtig, denn nur wer Spaß am Spiel hat, lernt schnell etwas hinzu.
Auf dem Rasen stechen sofort diese super Technik und der unglaublich starke linke Fuß ins Auge. Das genaue Passspiel, die ungemein sichere Ballannahme, die Ballkontrolle im Lauf und seine Unberechenbarkeit machen Lukas zu einem Stürmer der Extraklasse. Eine Schwachstelle ist sein rechter Fuß, auch das Kopfballspiel muss besser werden.
Sportlich hat er mich früh beeindruckt. Heute imponiert mir, wie er mit dem Druck umgeht. Fünf Tage vor der WM ist Lukas gerade mal 21 Jahre alt geworden. Das darf man nie vergessen, wenn man über diesen Jungen spricht oder schreibt. Trotzdem ist er in Köln ein Idol - das hat so jung noch nie ein Spieler geschafft. Im Abstiegsjahr 2003/2004 schoss Lukas in 19 Spielen zehn Tore, das ist einmalig für einen 18-Jährigen. In unserem Aufstiegsjahr 2004/2005 traf Lukas 24-mal und war der Garant für unsere Rückkehr.
In der vergangenen Saison lief es leider nicht mehr ganz so gut. Lukas war zwar Kapitän und Führungsspieler und traf in 32 Spielen zwölfmal. Das ist zu wenig, aber man muss die gesamte Situation sehen. Der 1. FC Köln ist einer der schwierigsten Klubs in ganz Deutschland. Der mediale Druck ist dort, wo zwei Boulevard-Blätter konkurrieren, immer besonders hoch. Und der Rummel, der um Lukas gemacht wird, ist unglaublich. Da ist es für so einen jungen Menschen sehr schwierig, mental die Balance zu halten: nicht abheben, aber auch nicht in ein tiefes Loch fallen.
Das alles muss Lukas vergessen und sich ganz auf die WM konzentrieren. Er ist Stammspieler, und darüber freue ich mich riesig. Lukas wird sich vom starken Teamgeist innerhalb der DFB-Elf und von diesem unbedingten Siegeswillen anstecken und tragen lassen. Früher wollte das deutsche Team nicht verlieren, heute tritt es an, um zu gewinnen. Da macht es Spaß zuzusehen.
Und das alles mit einem Lukas Poldolski, der auch noch seine Tore machen wird. Vielleicht schon morgen gegen Ecuador. Wenn Lukas seinen ersten WM-Treffer macht, wird das für ihn wie eine Befreiung sein. Bis dahin will ich ihn in Ruhe lassen, aber dann bekommt er auch von mir wieder eine SMS. Die bin ich ihm schuldig, denn umgekehrt gab's bei jedem Paderborner Sieg in der vergangenen Saison immer nette Post von Poldi.
Zum Schluss noch ein paar Sätze zum Wechsel nach München: Das war eine absolut richtige Entscheidung. Der FC Bayern ist eine Topadresse, da arbeiten Fachleute im Umfeld, und der Druck auf ihn wird abnehmen. Denn bei den Bayern ist Lukas nicht mehr der Superstar, sondern hat dort endlich wieder die nötige Ruhe und den richtigen Trainer, um sich weiterzuentwickeln.

Artikel vom 19.06.2006