15.06.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Bielefelds Oberbürgermeister Eberhard David im Gespräch mit dem früheren Bundeskanzler Helmut Kohl.

Sternstunde im Schulalltag

Altbundeskanzler Helmut Kohl zu Gast bei Bielefelder Gymnasiasten

Von Elke Wemhöner
Bielefeld (WB). Eine ungewöhnliche Geschichtsstunde erlebten gestern Mittag die Gymnasiasten der Jahrgänge 11 und 12 der Bielefelder Marienschule. Altbundeskanzler Helmut Kohl (76) nahm sich zwei Stunden Zeit für die 17- bis 19-Jährigen und ging konzentriert auf ihre Fragen ein.

»Das ist Ihr Jahrhundert«, rief Dr. Kohl den jungen Leuten mehrfach zu, als die Diskussion in der voll besetzten Aula um die Politik der Gegenwart kreiste. Diese persönlichen Worte und die Bewegtheit, mit der der Christdemokrat über die deutsche Wiedervereinigung sprach, beeindruckten die Zuhörer. Neben den Inhalten seiner Beiträge waren es die Zwischentöne, die die jungen Menschen sehr bewusst aufnahmen. Die Persönlichkeit des bekennenden Europäers überbrückte mühelos 60 Jahre Altersunterschied.
Ein Moderatoren-Quartett von Schülern aus dem 12. Jahrgang hatte mit einleitenden Stellungnahmen in die Themenkomplexe Wiedervereinigung, Europapolitik und aktuelle Bundespolitik eingeführt und leitete das Gespräch. Die zwei zur Verfügung stehenden Stunden vergingen für das Auditorium mit 250 Menschen wie im Fluge, zumal der prominente Gast seine Beiträge sehr kompakt gestaltete. Der minutenlange Beifall des Auditoriums war Ausdruck des Respekts und der Sympathie.
Schulleiter Günter Kunert sprach von einer »Sternstunde des Geschichtsunterrichts«, als er sich beim Altbundeskanzler bedankte. Authentisches Erfahren von Geschichte und Politik wirke nachdrücklicher als jedes Quellenstudium, unterstrich Kunert.
Sein Dank ging auch an Kai Diekmann, einen ehemaligen Marienschüler. Der Chefredakteur der Bild-Zeitung, der seine ersten Schritte im Journalistenberuf beim WESTFALEN-BLATT gemacht hatte, hatte den Besuch des Altkanzlers ermöglicht und organisiert. Zusammen mit Oberbürgermeister Eberhard David und dem Europaabgeordneten Elmar Brok (CDU) verfolgte er die ungewöhnliche Geschichtsstunde in der Aula.
In der ersten Reihe saß selbstverständlich auch Schwester Carola Kahler, 34 Jahre lang Leiterin der Marienschule, die als Gymnasium für Jungen und Mädchen vom Convent der Ursulinen zu Breslau getragen wird. Sie stand im Mittelpunkt einer Überraschung zum Ende der Veranstaltung. Die 74-jährige katholische Ordensfrau wurde mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Gewürdigt werden damit ihr großes Engagement im schulischen und im kirchlichen Bereich, aber vor allem ihr Einsatz für soziale Projekte von Kenia über Rumänien bis Russland und ihr Einsatz für einen kontinuierlichen, intensiven Schüleraustausch mit Polen.

Artikel vom 15.06.2006