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Möbel für die Post-Romantiker

Ende der Rabattschlacht erwartet -ÊMarkt ist in der Mitte am engsten

Von Bernhard Hertlein
Köln (WB). Die Möbelhersteller richten sich auf eine neue Art von Biedermeierlichkeit ein. »Die Konsumenten von morgen sind verspielte Post-Romantiker«, erklärte Peter Wippermann, Professor für Kommunikationsdesign an der Universität Duisburg/Essen, beim nationalen »Möbel-Meeting 2006«Êin Köln.

Schon vorher hatte Dr. David Bosshart, Geschäftsführer des Gottlieb Duttweiler Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft in Zürich, von den Möbelherstellern gefordert, sie müssten sich von der Konkurrenz deutlich abheben, um zu überleben. Dabei könne, wer über den Preis verkaufen wolle, in Deutschland nur verlieren. Die Rabattschlachten zersetzten echte Werte. Der Kunde wisse nicht mehr, wieviel ein Möbel wert sei. Das Geld, das er beim Einkauf spare, verwende er nicht für andere Möbelkäufe, sondern schlage es vorzugsweise dem Reise-Etat zu. In jedem Fall sei es für die Möbelbranche verloren.
Bosshart kritisierte, dass der Handel zu viel Personal abgebaut habe: »Wo keine Menschen sind, kann auch keine Stimmung aufkommen.«Ê Möglicherweise müssten die Möbelhersteller einen ähnlichen Weg gehen wie H & M, Zara und Gerry Weber in der Modebranche -Êalso den direkten Weg zum Endkunden suchen und eigene Fachgeschäfte oder Franchise-Filialen eröffnen.
Qualität bleibe ein wichtiger Anspruch deutscher Produzenten. Dabei könnten sie von Toyota lernen. Sie könnten sich aber auch an BMW ein Beispiel nehmen: »Die Autos der Bayern sind so sexy, dass die Käufer sogar bereit sind, dafür Ýobszöne MargenÜ zu akzeptieren«, sagte Bosshart. Im Bereich der Tiernahrung gebe es ähnliche Beispiele. So koste das Sheba-Katzenfutter das Zweieinhalbfache des Schweinebratens, den der Mensch für sich einkaufe.
In der Mitte sei der Markt immer am engsten: »Wer heute den Durchschnittskunden im Blick hat, liegt bereits maximal daneben.« Für die Anderen stünden die Chancen nicht schlecht: Die Zahl der Internet-Nutzer, die bei Google den Suchbegriff »Designer-Möbel« eingeben, sei fast so groß wie bei »Designer-Mode«. Die Spanne zwischen Einstiegs- und Luxuspreisen werde größer werden, meinte Bosshart. Angesichts der Alterung der Gesellschaft und der Neigung von Senioren, in Erinnerungen statt in Träumen zu leben, erwartet Bosshart eine Fortdauer der Retro-Stile.
Als Möbel für den so genannten »Silver Market« -Êalso für die Kundschaft zwischen 45 und 75 -Êerwähnte Wippermann anschließend den Rücken schonenden Backofen in Brusthöhe und höhenverstellbare Arbeitsflächen. Ganz allgemein werde das gute Sofa ein Comeback erleben. Wippermann, der auch Gründer des Hamburger Trendbüros ist, hält die Jugend von heute für zum großen Teil verspielt und sogar für spießig. Dabei werde die Zeit der Jugend immer länger: »Heute werden die Menschen frühestens mit 40 erwachsen.« Das habe Auswirkungen auf den Möbelkauf.
Das nach 2001 zweite große Möbel-Meeting stand auch im Zeichen des 25. Geburtstages der Partnerschaft des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie (VDM) und der Kölner Messegesellschaft. Zu den Stargästen gehörte der Buchautor und frühere »Spiegel«-Literaturkritiker Prof. Hellmuth Karasek, der die Welt der fünfziger Jahre wieder lebendig werden ließ. Am Abend wurde neben dem Jubiläum auch der 70. Geburtstag des VDM-Präsidenten Helmut Lübke ausgiebig gefeiert.

Artikel vom 14.06.2006