15.06.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Kurzfilme zur Bach-Messe

»Klang der Ewigkeit« ist ein gewagtes Experiment


Wer Johann Sebastian Bachs h-Moll-Messe hört, die Augen schließt und in das Meisterwerk hineintaucht, vor dessen innerem Auge erscheinen unweigerlich zahllose Bilder. Melancholisch ergreifend, festlich schreitend und beschwingt jubelnd bannt das Klangwerk den Hörer und nimmt ihn zwei Stunden lang mit auf eine assoziative Reise. Der Filmemacher Bastian Clevé hat seine innere Bilderreise nach außen gekehrt: Der Regisseur des Flüchtlingsdramas »So weit die Füße tragen« (2001) drehte zu Bachs berühmter Messe 27 zusammen gehörige Kurzfilme - ein mehr als ehrgeiziges Wagnis. Von heutigen Donnerstag an ist es im Kino zu sehen, zunächst in Hamburg und Leipzig, dann in weiteren Städten.
Als Mischform aus Spiel-, Musik- und Animationsfilm versteht sich »Klang der Ewigkeit«, und als solche kommt der Film mitunter abstrakt, dann wieder sehr gegenständlich daher. So schwebt die Kamera in einem der Kurzfilme zum Kyrie erhaben durchs Weltall, vorbei am Roten Planeten zur Erde, wo sie den Blick des Kinogängers durch nächtliches Schneetreiben über Dörfer und Städte hinweg führt und durchs Fenster eines frühneuzeitlichen Schlafzimmers, in dem soeben ein Kind geboren wurde. Behutsam begleiten die Streicher der Internationalen Bachakademie und des Bachkollegiums Stuttgart die Szene, wenn die Mutter ihr Neugeborenes zum ersten Mal auf den Arm nimmt. Mensch und Schöpfung erscheinen als Teile eines ewigen, göttlichen Plans.
Wenn wenig später die Gächinger Kantorei zum Christe eleison anhebt, fliegt ein Adler vorbei an schneebedeckten Gipfeln. Wunder der Schöpfung und der Musik treffen aufeinander, wenn der König der Lüfte vor stahlblauem Himmel an einem hell funkelnden Gipfelkreuz vorbeizieht - auch wenn hier die Grenze zum Kitsch nicht weit ist: In solchen Sequenzen gelingt es Clevé, etwas von der Eindringlichkeit Bachscher Musik auf der Leinwand zu spiegeln.
Viele der übrigen Kurzfilme lenken jedoch einfach nur ab von der musikalischen Pracht der h-Moll-Messe. Das barocke Werk allein fordert derart viel Aufmerksamkeit beim Hören.

Artikel vom 15.06.2006