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Immer mehr Bielefelder verschuldet

Beratungsstellen geben den Betroffenen auch psychosoziale Hilfe

Bielefeld (hu). Immer mehr Bielefelder sind überschuldet. Dies bekommen vor allem die fünf Schuldnerberatungsstellen in der Stadt zu spüren, die im vergangenen Jahr 3155 Menschen bei einem Weg aus der Finanzmisere unterstützt haben. 2004 lag die Zahl der Beratungsgespräche noch bei 2655.

Die Gründe, warum Menschen ihre Finanzen nicht mehr in Griff haben und aus Schulden eine Überschuldung wird, sind vielfältig. Die Verschuldungsursache Nummer eins ist nach wie vor der Konsum, der in zwei Drittel der Fälle Auslöser ist. Denn Schulden zu machen sei leicht, wie Benjamin Varnholt von der Diakonie in Brackwede, eine der fünf Schuldnerberatungsstellen in Bielefeld, erklärt. »Fast alles lässt sich heute auf Raten kaufen und auch einige Banken vergeben sehr leicht Kredite.«
Schulden haben die Menschen, die sich bei den Beratungsstellen Hilfe holen, vor allem bei Banken, direkt danach folgen jedoch schon Versandhäuser, öffentlich-rechtliche Gläubiger und die Telekommunikationsbranche. »Gerade bei junge Erwachsen ist das Handy oft eine Schuldenfalle«, erläutert Gertrud Rummeny von der Schuldnerhilfe Bielefeld an der Marktstraße.
»Während die Zahl der Personen, die Hilfe brauchen, immer größer wird, können wir unsere Beratungskapazitäten wegen der begrenzten finanziellen Möglichkeiten nicht weiter ausbauen«, erklärt Gertrud Rummeny. Finanziert werden sie durch Eigenleistungen der Einrichtungen sowie durch Mittel der Stadt und des Landes.
Insgesamt neun Mitarbeiter zum Teil mit Teilzeitstellen gibt es in den Beratungsstellen. Das bedeutet, dass immer mehr Gespräche am Telefon stattfinden. Eine persönliche Beratung kann dies nicht in allen Fällen ersetzen. Denn neben der finanziellen leisten die Berater auch psychosoziale Hilfe. »Schulden haben oft auch immense Auswirkungen auf die Menschen, die sich manchmal aus Scham sozial isolieren«, so Sabine Goudard vom evangelischen Gemeindedienst.
Hauptaufgabe der Beratungsstellen ist jedoch der Schuldnerschutz, bei dem das finanzielle Existenzminimum der Betroffenen geschützt werden soll. In einem zweiten Schritt wird dann ein individueller Haushaltsplan erstellt der exakt auflistet, wieviel Geld jeden Monat zur Verfügung steht und welche Summen für welchen Zweck ausgegeben werden. »Für viele ist das ein A-Ha-Erlebnis«, sagt Sabine Goudard. Die Beratungsstellen sehen sich als Interessenvertreter der Schuldner, aber auch als Vermittler zwischen diesen und den Gläubigern. Benjamin Varenholt: »Viele Gläubiger verhandeln lieber mit uns, weil wir für sie ein verlässlicher Partner sind.«
Weiteres Aufgabenfeld der Beratungsstellen: Hilfestellung bei der Privatinsolvenz. Dabei gab es im Dezember 2005 wegen der knappen Personalsituation eine Warteliste mit 280 Personen. Die Wartezeit für einen Termin beträgt derzeit etwa 14 Monate

Artikel vom 19.06.2006