06.07.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Hartz IV hat mit Sozialstaatlichkeit wenig zu tun

Jeder muss zunächst einmal für seinen Unterhalt und den seiner Angehörigen selbst sorgen


Zu dem Interview mit NRW-Sozialminister Franz-Josef Laumann:
»Soziale Systeme sollten immer in sich gerecht sein«. Richtig, Herr Laumann! Schön, dass Sie dieses zentrale Hartz-IV-Problem mit dieser Deutlichkeit ansprechen: Hartz V ist nichts anderes als Gleichmacherei auf niedrigstem Niveau und hat mit Sozialstaatlichkeit nach herkömmlichem Verständnis nur noch sehr wenig zu tun.
Auch im Sozialstaat ist ein jeder gehalten, für seinen Unterhalt und den seiner Angehörigen (zum Beispiel durch Erwerbstätigkeit) selbst zu sorgen. Von seinen Einkünften führt er einen Teil über Beiträge und Steuern an die sozialen Sicherungssysteme ab. Kann der Betroffene sich nun aber nicht mehr selbst unterhalten, weil er alt, krank, pflegebedürftig oder arbeitslos wird, erhält er aus eben diesen Sicherungssystemen Ersatzleistungen (Rente, Krankengeld usw.). Und zwar auf einem Niveau deutlich oberhalb der Sozialhilfe.
Wer dagegen nie gearbeitet und dementsprechend auch die Sicherungssysteme nicht finanziell unterstützt hat, kann selbstverständlich von der Solidargemeinschaft lediglich Leistungen zur bloßen Existenzsicherung (= Sozialhilfe) erwarten. Aus eben dieser Sozialstaatlichkeit hat sich der Gesetzgeber jedoch mit dem Hartz-IV-Gesetz verabschiedet.
Denn: Wer heute nach langjähriger steuer- und beitragspflichtiger Berufstätigkeit unverschuldet seinen Job verloren hat, landet nach dem Auslaufen des Arbeitslosengeldes I (also nach einem Jahr) im Hartz-IV-System und damit auf Sozialhilfeniveau. Der Sozialstaat lässt ihn fallen. Er wird mit Menschen, die nie erwerbstätig waren, auf eine Stufe gestellt.
Dies ist - wie Herr Laumann dankenswerterweise richtig erkennt - zunächst mal ein emotionales Problem. Darüber hinaus wird aber auch eine riesige Gerechtigkeitslücke aufgerissen.
Und schließlich verabschiedet man sich im Bereich der Langzeitarbeitslosigkeit aus dem Sozialstaatsprinzip. Denn für Leistungen auf Sozialhilfeniveau bedarf es des Sozialstaates gar nicht. Ein Anspruch auf derartige Leistungen zur bloßen Existenzsicherung ergibt sich nämlich schon aus den Grundrechten auf Leben und körperliche Unversehrtheit.
JOSEF AMEDICK33100 Paderborn-Benhausen

Artikel vom 06.07.2006