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Wulff wirbt für den Kombilohn

Niedersachsen startet am 1. Juli mit einem eigenen Förder-Modell

Hannover (dpa). Trotz Kritik von Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) soll das niedersächsische Kombilohn-Modell wie geplant zum 1. Juli an den Start gehen.

»Der Niedersachsen-Kombi bedeutet zusätzliche Chancen für Langzeitarbeitslose. Und jede zusätzliche Chance ist ein Gewinn für unser Land«, sagte Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) gestern bei der Auftaktveranstaltung in Hannover. Müntefering will bis zum Herbst ein bundeseinheitliches Konzept für existenzsichernde Löhne vorlegen. Gewerkschafter und Opposition im Landtag wiesen Wulffs Vorstoß zurück.
Dem niedersächsischen Modell zufolge können Bezieher von Hartz IV ein halbes Jahr lang monatlich 200 Euro Zuschuss erhalten, wenn sie einen Job mit einem Brutto-Gehalt bis zu 1500 Euro annehmen. Der Arbeitgeber erhält monatlich bis zu 400 Euro Zuschuss. Wird der Arbeitslose anschließend unbefristet eingestellt, wird die Förderung noch vier Monate weitergezahlt. Gefördert werden sollen nur neue, zusätzliche Jobs, die sozialversicherungspflichtig sind.
»Wenn es uns gelingt, die arbeitswilligen Menschen mit Hilfe des Niedersachsen-Kombis aus der Bedürftigkeit herauszuholen, dann werden auch die öffentlichen Kassen ganz erheblich entlastet«, sagte Wulff. Niedersachsen stehe nicht in Konkurrenz zur Bundesregierung. »Beim Niedersachsen-Kombi handelt es sich vielmehr um eine sinnvolle Ergänzung der Anstrengungen auf Bundesebene«, sagte Wulff. Von Seiten der Arbeitgeber, aber auch vom Vorsitzenden der IG Bergbau-Chemie- Energie, Hubertus Schmoldt, habe es ein positives Echo gegeben.
»Wulff greift dankend auf Bundes- und Europamittel zurück und verkauft das Ganze als Niedersachsen-Kombi. Das ist Etikettenschwindel«, sagte der SPD-Landesvorsitzende Garrelt Duin. »Mit uns wird es einen Kombilohn nur geben, wenn er in Kombination mit dem Mindestlohn kommt.«
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium, Gerd Andres (SPD), sagte: »Es gibt bundesweit schon zahlreiche Modelle. Jeder möchte medienwirksam etwas auf den Markt bringen.« Eine Finanzierung aus Mitteln des Bundes setze jedoch eine verbindliche Vereinbarung mit dem Bund voraus, die für Niedersachsen nicht vorliege.
Heftige Kritik übte auch der niedersächsische DGB-Vorsitzende Hartmut Tölle: »Kombilohn-Modelle, die nicht an einen gesetzlichen Mindestlohn gekoppelt sind, lehnen wir ab.«
Im Rahmen von Hartz IV werde schon lange mit Mini-Jobs, Lohnkostenzuschüssen und Einstiegsgeld im Sinne des »nun als neu propagierten« Niedersachsen-Kombis gearbeitet, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen, Enno Hagenah. Es habe sich jedoch kein überzeugender Erfolg eingestellt.
Unterstützung für sein Vorhaben erhielt Wulff von der Vereinigung der Handwerkskammern in Niedersachsen (VHN). Den Kammern sei zwar bewusst, dass Kombilöhne keine »beschäftigungspolitische Zauberformel« seien, sagte VHN-Präsident Gernot Schmidt. Das Hamburger Modell, an dem sich Niedersachsen orientiert, habe jedoch erste Erfolge gezeigt.
Niedriglöhne und Armut dürften, anders als es die Gewerkschaften täten, nicht generell gleichgesetzt werden. Das erklärte gestern das Institut der deutschen Wirtschaft (IWD) in Köln. Nur wenige Erwerbstätige mit Minilohn lebten in Haushalten, die man als arm bezeichne. Andere Einkünfte wie die Verdienste von Partnern sorgten in der Regel für ein annehmbares Haushaltseinkommen.
Die Gewerkschaftsforderung, einen Mindestlohn von 7,50 Euro einzuführen, um Armut zu bekämpfen, gehe daher ins Leere. Das Institut ist vielmehr der Auffassung, wenn der Mindestlohn so komme, wie es der DGB fordere, stünden in Deutschland fast vier Millionen Arbeitsplätze auf der Kippe, weil sie sich für Arbeitgeber nicht mehr rechneten.

Artikel vom 14.06.2006