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WM 1974:
Polen stand
im Regen

Die Wasserschlacht

Barsinghausen (WB/klü). Mittwoch, 3. Juli 1974. Tatort Frankfurter Waldstadion. Hier sollte pünktlich um 16 Uhr das WM-Halbfinale zwischen Deutschland und Polen angepfiffen werden.

Aber Österreichs Schiedsrichter Erich Linemayr besichtigte nur ganz kurz die Rasenfläche und winkte ab: »Unmöglich. Der Platz steht ja völlig unter Wasser.«
Jan Tomaszewski, der im polnischen Tor stand, staunt noch heute: »Wie die Deutschen so schnell den Rasen wieder halbwegs bespielbar gemacht haben, das war bewundernswert.« Dauerregen, der auch während der Partie noch mehrfach einsetzte, machte dieses Duell zur legendären »Wasserschlacht von Frankfurt«. Mit Walzen, Pumpen und Saugnäpfen wurde die schwammige und von Pfützen übersäte Fläche bearbeitet. Wasser weg anstatt Wasser marsch, so lautete damals der neue Feuerwehrbefehl.
Mit 30 Minuten Verspätung gab Linemayr den Platz frei. Franz Beckenbauer blickt fair zurück: »Eigentlich hätte der Schiedsrichter nicht anpfeifen dürfen. Das waren irreguläre Bedingungen. Aber für unsere Mannschaft kein Nachteil, denn Polen stellte damals das technisch bessere Team, die hatten bei dieser Rutschpartie die größeren Nachteile.«
Tomaszewski sieht das ebenfalls genauso: »Schlechter Boden gut für Deutschland.« Dabei hätte gerade er zum Helden des Tages werden können: In der 53. Minute meisterte Polens Nummer 1 einen Elfmeter von Uli Hoeneß.
Doch in der 75. Minute war auch Tomaszewski machtlos. Tor für Deutschland. Durch wen wohl? Na klar, Gerd Müller, wer sonst, schoss die glücklicheren Gastgeber ins Münchener Finale. Die Deutschen strahlten. Und als Linemayr die Partie abpfiff, lachte über dem Frankfurter Waldstadion sogar die Sonne wieder mit.

Artikel vom 14.06.2006