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Berliner
Luft
geschnuppert
von
Friedrich-Wilhelm
Kröger


Ein Besuch beim Italiener. Vittoria ist aufgeregt. Bringt schon den Espresso an den Tisch, obwohl noch nicht einmal das Essen bestellt worden ist. »Totti, Totti«, ruft sie. Dann wird die Aufstellung eingeblendet. Vittoria kriecht fast in den Fernseher. Laut liest sie die Namen mit. Anpfiff.
Ihr Chef fährt bisweilen entsetzt hoch und gestikuliert wild. Die Tifosi haben ein Einsehen, Pirlo schießt den Ball ins Tor. Vittorias Boss entspannt beim Weißwein. Nur mit Camoranesi hat er ein Problem. Oder besser gesagt mit dessen Art, die Haare zu bändigen. »Eine schöne Dame«, lästert er. Camoranesi trägt Zopf.
Auch können bisher nicht alle Spiele gefallen, eines ist zu gut. Bei der Partie Argentinien gegen Elfenbeinküste wird ein holländisches Paar blass. Ihm rutscht vor Schreck die Brille von der Nase und zerbricht auf dem Boden, sie beruhigt: »Passiert ihm öfter. Er hat aber fünf davon.« Auf die Bemerkung, ob das denn reicht bis zum Finale - nicht, dass die Holländer Weltmeister werden, und er hat gerade sein letztes Gestell zertreten - entgegnet sie: »Wir fliegen vorher raus.« Ganz ehrlich: Die Schwarzmaler sind tatsächlich Holländer. Auch wenn sie nicht orange gekleidet sind, sondern lila - wie die Schokoladenkuh. Vittorias Chef findet, dass sich auch die Italiener steigern müssen. Sein Kellner ruft nach Baggio. Noch ein Künstler. Zopf trug der auch mal.

Artikel vom 14.06.2006