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Ermittlungen
gegen Anwalt
eingestellt

Untreue war nicht nachzuweisen

Von Christian Althoff
Herford (WB). Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat ihre Ermittlungen gegen einen Herforder Rechtsanwalt eingestellt, der eine Arztwitwe (82) rechtswidrig um mehr als zwei Millionen Euro gebracht haben sollte. Gegen die Einstellung des Verfahrens hat der Finanzbetreuer der alten Dame gestern bei der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm Beschwerde eingelegt.

In der Einstellungsverfügung der Ermittlungsbehörde heißt es, es sei »unstreitig«, dass der Rechtsanwalt »wesentliche Vermögensteile wie Immobilien, Geld, Wertgegenstände und Wertpapiere« aus dem Besitz des betagten Herforder Arztehepaares »ohne unmittelbare Gegenleistung auf sich, seine Frau und seine Kinder« übertragen habe. Der Anwalt habe aber für diese Transaktionen eine Bankvollmacht und eine Generalvollmacht benutzt, die ihm die Eheleute ausgestellt hätten, außerdem habe er sich auf mündliche Schenkungserklärungen berufen. »Eine strafbare Untreuehandlung hätte nur dann vorgelegen, wenn der Vermögenstransfer gegen den erkennbaren Willen des Ehepaares« geschehen wäre, heißt es in der Einstellungsverfügung weiter. Dies sei aber nicht der Fall gewesen. Die alte Dame (ihr Mann war 2005 gestorben) habe mehrfach bekundet, sie sei mit den Transaktionen einverstanden.
Das Arztehepaar hatte im Laufe seines Lebens in Herford Immobilien erworben, die als Altersversorgung dienen sollten. Als sich die kinderlosen Ruheständler mit der Verwaltung der Häuser und Wohnungen überfordert fühlten, beauftragten sie den befreundeten Anwalt, sich »um alles zu kümmern«. Sie erteilten ihm eine Generalvollmacht und setzten ihn zudem als Erben ein.
Als die Arztwitwe den Anwalt eines Tages bat, 4000 Euro an eine befreundete Familie zu überweisen, soll dieser sich geweigert haben. Daraufhin hatte die Frau Verdacht geschöpft und ihre Konten von einem anderen Anwalt überprüfen lassen. Der hatte Abbuchungen in sechsstelligen Höhen festgestellt und das Amtsgericht Herford informiert, das einen Steuerberater aus Bielefeld zum Vermögensbetreuer der Frau bestellt hatte. Denn eine Fachärztin des Kreises Herford war zu dem Schluss gekommen, die Witwe sei nicht mehr in der Lage, ihre Geldangelegenheiten zu überblicken.
Der vom Gericht bestellte Vermögensbetreuer will die Einstellung des Verfahrens nicht hinnehmen. Ihm liegen Überweisungsträger vor, mit denen der Anwalt bis zu sechsstellige Beträge vom Konto des Ehepaares auf sein eigenes überführt hatte und auf denen als Verwendungszweck »Darlehn« steht. Dem Vermögensbetreuer gegenüber soll der Anwalt diese Überweisungen jedoch als Schenkungen bezeichnet haben - ein Widerspruch, der im Ermittlungsverfahren nicht aufgeklärt worden sein soll.
Auch die Finanzbehörden sind inzwischen auf den Fall aufmerksam geworden und prüfen die Bücher des Rechtsanwaltes. So besuchte ein Beamter der Steuerfahndung Bielefeld im Mai die Witwe in ihrem Altenheim und ließ sich den Sachverhalt aus ihrer Sicht darlegen. Anschließend schickte der Beamte einen mehrseitigen Vermerk an die Staatsanwaltschaft, in dem er anregte, die Frau zu vernehmen. Es sei ihr und ihrem Mann bei der Ausstellung der Vollmachten alleine darum gegangen, die Immobilien verwalten zu lassen, die die alleinige Altersversorgung darstellten, schrieb der Steuerfahnder. Zu einer Vernehmung der Witwe kam es aber nicht mehr, das Verfahren wurde am Freitag eingestellt.
Dessen ungeachtet soll noch in diesem Jahr ein Zivilprozess gegen den Anwalt stattfinden, in dem die Witwe mehr als zwei Millionen Euro zurückfordert. Denn sie lebt derzeit von einem kleinen Rest ihres Vermögens, der sich langsam verbraucht. Und eine nennenswerte Rente bezieht die Frau nicht.

Artikel vom 14.06.2006