14.06.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Mit dem Messer ins Dschungelcamp

Klares von Klose: »An einem Sieg Deutschlands führt kein Weg vorbei«

Berlin (WB/fwk). Für Miroslav Klose ist die Begegnung mit Polen auch eine Reise in die Vergangenheit. Beim Fußball fand der gerade mit seinen Eltern eingewanderte Knirps einen Weg, Freundschaften zu schließen.

»Nach der Schule hieß es immer: Ranzen weg und raus auf den Bolzplatz. Weil ich besser spielen konnte als die anderen, wurde ich immer als Erster gewählt.« So hat er sich Sympathien geschaffen.
Später als Bundesligaprofi wollte ihn Polens Nationaltrainer holen, doch da winkte der junge Mann ab: »Ich wusste, wenn ich so weiter mache, würde ich es eines Tages bis in die deutsche Mannschaft bringen.« So kam es, und da ist er nun. Heute heißt der Gegner Polen, Klose stürmt erfolgreich für die DFB-Auswahl, und auf die Suche nach Freunden geht er heute Abend zwischen 21 und 23 Uhr ganz bestimmt nicht. »Wir haben ja auch mitbekommen, dass bei denen Knatsch ist«, sagt er und leitet daraus ab, dass in Dortmund eine feindliche Übernahme stattfinden soll. Offenbar erwartet der Bremer Torjäger so eine Art Dschungelcamp, aus dem nur einer wiederkehrt: »Die Polen werden mit dem Messer zwischen den Zähnen auf uns losgehen.«
Normalerweise nennt der Fußballer solche Streitfälle »heißer Tanz« oder »enge Kiste«. Doch womöglich reicht das in diesem Fall als Beschreibung des zu erwartenden Kampfabends nicht aus. Bundestrainer Jürgen Klinsmann hat sich zum besseren Verständnis überlegt, was der Konkurrent vor dem Duell mit Deutschland, das er ohnehin noch nie gewann, denkt: »Bei den Polen ist es fünf vor zwölf. Die wissen, eine ganze Nation ist unzufrieden, im Umfeld herrscht Aggression, die Nerven sind angespannt.«
Oha, das kann ja wirklich eine garstige Begegnung werden. Da ist es gut, dass die Deutschen den Umständen entsprechend locker bleiben wollen. Noch mal drei Punkte, und sie senden beste Grüße als Achtelfinalist ins eigene Land aus. Weil das Spiel in Dortmund stattfindet, halten sich die Bedenken in Grenzen. »Das wird von der Atmosphäre her das beste Spiel«, schwärmt Torhüter Jens Lehmann, der das noch weiß aus früheren Borussia-Zeiten.
Auf der Tribüne sitzen auch Onkel und Tante von Klose, die aber Bescheid wissen. Ihr Neffe hat ihnen erklärt, dass für ihn »absolut nichts an einem Sieg für Deutschland« vorbeiführt. Sie verstehen das sicher. Ob sie ein schönes Spiel sehen werden, darf nach den Äußerungen der Beteiligten bezweifelt werden. Hinterher kehrt hoffentlich schnell wieder Friede und Freundschaft ein.

Artikel vom 14.06.2006