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Hamas nimmt Israel
massiv unter Beschuss

Palästinenser-Präsident Abbas kündigt Referendum an

Jerusalem (Reuters). Nach der Aufkündigung ihrer Waffenruhe hat die radikal-islamische Hamas Israel am Wochenende erstmals seit mehr als einem Jahr wieder massiv unter Beschuss genommen.

Hamas-Extremisten feuerten mehr als zwei Dutzend Raketen und mehrere Werfer-Granaten auf israelisches Gebiet ab. Israel antwortete gestern mit einem Raketenangriff auf den nördlichen Gaza-Streifen, bei dem zwei Hamas-Mitglieder getötet und drei weitere verletzt wurden. Inmitten der erneuten Gewalt-Eskalation kündigte der gemäßigte Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas ein Referendum über eine indirekte Anerkennung Israels an und erhöhte damit seinerseits den Druck auf die Hamas-Regierung.
Bei einem Raketenangriff der Hamas wurde ein israelischer Zivilist in Sderot an der Grenze zum Gazastreifen schwer verletzt. »Wir haben beschlossen, aus Sderot eine Geisterstadt zu machen,« drohte die Hamas gestern. Nach den Angriffen am Samstag hatte es keine Berichte über Opfer und Schäden gegeben. Am Freitagabend hatte die Hamas ihre vor 16 Monaten ausgerufene Waffenruhe aufgekündigt. Damit reagierte sie auf einen, wie Hamas es formulierte, Angriff Israels auf einen Strand im Gazastreifen. Dabei waren sieben Zivilisten getötet worden, darunter fünf Mitglieder einer Familie. Israel bedauerte den Tod der Zivilisten.
Die Armee kündigte eine Untersuchung des Zwischenfalls an. Brigadegeneral Jair Kochawi räumte ein, dass eine Granate am Strand eingeschlagen sein könnte. Möglicherweise hätten die Kinder aber auch mit einem Blindgänger gespielt, der dann explodiert sei. Abbas bezeichnete den Vorfall als schreckliches und hässliches Massaker. UN-Generalsekretär Kofi Annan forderte eine Untersuchung.
Bei der Beisetzung der getöteten Palästinenser kam es zu erschütternden Szenen. Die siebenjährige Houda Ghalia, die bei der Detonation am Strand ihre Eltern und ihre drei Geschwister verloren hatte, nahm schluchzend Abschied von ihrer Familie. »Vater, Vater vergib mir«, sagte das Mädchen und küsste auf Knien das Gesicht ihres toten Vaters auf dem Friedhof von Beit Lahija. Abbas und der palästinensische Ministerpräsident Ismail Hanija versprachen, das Mädchen symbolisch zu adoptieren und für Lebensunterhalt und Ausbildung aufzukommen.
Das erneute Aufflammen des Konflikts könnte auch Auswirkungen auf Abbas' Pläne für die Volksbefragung über die Zwei-Staaten-Lösung am 26. Juli haben.
In dem Referendum soll über ein Manifest abgestimmt werden, das von Palästinensern in israelischen Gefängnissen verfasst wurde. Darin ist ein eigener Palästinenser-Staat auf dem Gebiet des Westjordanlands und des Gazastreifens vorgesehen.
Der Hamas-Abgeordnete Muschir al-Masri rief die Palästinenser auf, die Abstimmung zu boykottieren. Er sprach von einem Putschversuch gegen die Hamas-Regierung.

Artikel vom 12.06.2006