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»Faust« ins
Heute geholt

Viel Lob für Bad Hersfelder Premiere

Bad Hersfeld (dpa). Neue Intendantin, neue Ideen und ein neuer »Faust« - die Premiere von Goethes Klassiker zum Auftakt der Bad Hersfelder Festspiele im Jahr eins der Intendanz von Elke Hesse bot einen spannenden Theaterabend.
Die Zuschauer zeigten sich am Samstagabend nach der zweieinhalbstündigen Aufführung in einer lauen Frühsommernacht durchweg beeindruckt.
»Der Faust ist ein hadernder Wissenschaftler, der vom Leben nichts mehr erwartet«, sagte Regisseur Torsten Fischer. Er sei am Ende seiner Lebenslust, behaupte von sich und seiner Familie, Massenmörder zu sein, und habe mit Medikamenten experimentiert - »das ist sehr modern«. Fischer hat denn auch konsequent den Doktor Faust ins Heute geholt, mit lässigen Cargo-Hosen, Wanderstiefeln und umringt von modernen Menschen aus zahlreichen Nationen.
Die als schiefe Ebene gestaltete Bühne ist sparsam ausgestattet. Ein Gitterkäfig, in den sich Faust anfangs einsperrt und Bühnengitter stehen dafür, wie sehr der Gelehrte Gefangener eigener Seelenqualen ist. Ein Mann, der mit seinem Schicksal hadert. Martin Reinke spielt die Titelrolle mit großem Engagement, immer wieder lautstark Zweifel und Wut deutlich machend. Rufus Beck verkörpert Mephisto subtiler, in Schwarz gekleidet und bis auf die Augen weiß geschminkt umgarnt er Faust, den legendären Pakt zu schließen: sein irdisches Leben dem Teufel zu schenken gegen einen erfüllten Augenblick. Mephisto stellt Faust schließlich Gretchen vor, von Anna Franziska Srna als gottesfürchtiges Mädchen gespielt, das erst zum Schluss erkennt, wie sehr es durch Faust zum Opfer geworden ist und ihm dies auch vorhält.
Fischer vertraut dem klassischen Text - wenn auch in einer deutlich gekürzten Fassung. Seine Schauspieler unterhalten sich in Goethes Versen. »Im Jahr 2006 kann man den Text nicht deklamieren, sondern muss ihn so verinnerlicht haben, als würde man ihn im Moment sprechen.«
Die Zuschauer zeigten sich am Samstagabend begeistert. »Sensationell«, sagte ein Besucher. So einen beeindruckenden Faust habe er noch nie gesehen. »Großartige Schauspieler«, lobte eine andere Zuschauerin, »besonders der Beck«. Sein Mephisto habe ihr gut gefallen. »Das war ein Schelm, der dem Faust immer den Spiegel vorgehalten hat.«
Auch Liedermacher Konstantin Wecker, der die Musik zu dem Stück komponiert hatte, geriet ins Schwärmen. »Dieser »Faust« war überwältigend«, sagte er nach der ersten Premiere der 56. Festspielsaison.

Artikel vom 12.06.2006