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Schwarzrotgold war »Pflicht«

Bielefelder bejubeln Sieg der Deutschen am liebsten im großen Kreis


Von Burgit Hörttrich und
Carsten Borgmeier (Fotos)
Bielefeld (WB). »Ihr könnt nach Hause fahr'« jubeln 650 Fußballfans im Jugendzentrum Kamp, als Philipp Lahm in der 6. Minuten das erste Tor für Deutschland schießt. Deutschlandtrikot, Deutschlandfahne oder wenigsten Schwarzrotgold in der Haartracht oder als Schminke im Gesicht ist Pflicht. Im Stehen - so wie es wahre Fußballfreunde im Stadion am liebsten haben - erleben die Anhänger das WM-Eröffnungsspiel.
18.30 Uhr im Media Markt an der Engerschen Straße. Der Parkplatz ist so gut wie leer, Verkaufsleiter Peter Minning und seine Mitarbeiter haben Muße, auf 200 (!) Bildschirmen das Spiel Deutschland: Costa Rica zu verfolgen. Kunde Boris Zippel hat sich auf einem der roten Sofas vor einem der TV-Geräte nieder gelassen: »Nach Hause habe ich es ja nicht mehr rechtzeitig geschafft.«
Minning strahlt: »Die WM beflügelt den Umsatz - sogar noch heute waren Kunden da, die sofort und gleich einen Flachbildschirm haben wollten.« Minning nimmt gleich all' jenen die Angst, die Bedenken haben, ihr Fernseher könnte während der WM den Geist aufgeben: »Während der Reparatur kann man sich ein Gerät leihen.«
19.10 Uhr, Altstadt: Ein paar Frauen bummeln noch durch die Fußgängerzone, für einen Freitagabend aber herrscht gähnende Leere.
19.25 Uhr, Schloßhof: Mehrere hundert Gäste sehen sich das Spiel an - vor Bildschirmen innen und außen. Erleichterung und Jubel, als das Spiel endlich abgepfiffen wird. Ein Gruppe junger Brasilianer, die mit Michael Lesemann vom Welthaus im Schloßhof das Spiel miterleben, sind ein wenig verblüfft - über die Zurückhaltung der Deutschen. Nach dem 4:2-Sieg wenden die sich nämlich entspannt ihrem Bier oder der Menükarte zu, statt auf dem Tisch Samba zu tanzen. Fete gibt es dann aber später auf dem Jahnplatz und in der Altstadt.
Temperamentsausbrüche erlebte dagegen René Thannhäuser (17) vom Brackweder Gymnasiums, in Costa Rica. Der Austauschschüler berichtete am Telefon, dass die »Ticos« mit der Leistung ihrer Elf zufrieden waren. René Thannhäuser gestern nach Abpfiff - die Zeitverschiebung beträgt acht Stunden, die Begegnung endete in Costa Rica kurz vor dem Mittagessen: »Viele Fans haben sich frei genommen, um das Spiel am Fernseher zu verfolgen.« Die beiden Vorrundenspiele der »Ticos« gegen Ecuador und Polen kann Thannhäuser noch im Lande sehen - am 22. Juni kommt er zurück.

Artikel vom 10.06.2006