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Gesundheitsreform wird
zur bitteren Medizin

Merkel bereitet die Bürger auf Mehrbelastungen vor

Berlin (dpa). Die Gesundheitsreform könnte zur bitteren Medizin für die Menschen werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bereitet die Bürger schon auf Mehrbelastungen vor. Freizeit- und Risikosportler sollen sich nach Medienberichten künftig privat gegen Unfälle absichern.

Auch Komplikationen nach Schönheitsoperationen oder Piercings würden nicht mehr auf Krankenschein behandelt. Der Sprecher des Gesundheitsministeriums, Klaus Vater, sagte, Berichte über einen einheitlichen Beitragssatz für alle Krankenkassen hielten »keiner Nachprüfung stand« und seien »unseriös«.
Merkel sagte bei einer Unions-Tagung am Samstag in Saarbrücken zum Thema »Wahrheit und Wahrhaftigkeit in der Politik und in den Medien«: »Ich kann nicht verlangen von der Politik in einer solchen Reform, dass sich alles ändert, aber niemand was merkt.« Die Kanzlerin hatte zuvor schon klargestellt, wegen des medizinischen Fortschritts und der Alterung der Gesellschaft werde Gesundheit tendenziell teurer.
Obwohl die Spitzen der Koalition bei ihrem Treffen im Kanzleramt am Donnerstagabend noch keine Entscheidungen zu Details der Gesundheitsreform trafen, wurden am Wochenende Überlegungen und Festlegungen »aus Koalitionskreisen« publik. Dazu gehört auch die Einbeziehung von Privatpatienten in die Finanzierung eines neuen Gesundheitsfonds.
Nach einem Bericht der »Bild«-Zeitung gibt es Pläne, dass Kassen die Behandlungskosten nach selbst verschuldeten Unfällen nicht mehr übernehmen. Auch Komplikationen etwa nach Tätowierungen sollen nicht mehr auf Krankenschein behandelt werden. Kassenpatienten müssten dann eine Zusatzversicherung bei ihrer Krankenkasse oder bei einer Privatversicherung abschließen.
Nach »Focus«-Informationen wird in der großen Koalition erwogen, das Krankengeld aus dem Leistungsumfang der Kassen herauszunehmen. Die Gesetzlichen Kassen könnten so um sechs Milliarden Euro entlastet werden. Im Gespräch sei auch die Einführung einer Versicherungssteuer auf die Prämien der Privaten Krankenversicherung. Die Policen könnten sich dadurch im nächsten Jahr um 19 Prozent verteuern.
Nach Informationen der »Welt am Sonntag« ist ein einheitlicher Beitragssatz geplant. Er solle für alle Mitglieder der gesetzlichen Kassen und alle Neumitglieder der privaten Krankenversicherung gelten.
Der Beitragssatz werde laut ersten Berechnungen für Arbeitnehmer zwischen sieben und acht Prozent liegen. Der Arbeitgeberbeitrag soll bei sechs Prozent eingefroren werden.
Ministeriumssprecher Vater widersprach diesen Darstellungen und sagte, es werde über Belastungen berichtet, obwohl dazu Gespräche noch nicht stattgefunden hätten. Die von »nicht genannten Quellen bediente Diskussion« um unkonventionelle Vorstellungen zeige nur den »Widerwillen aller Kräfte, die um Einfluss fürchten«.
Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU) lobte die Pläne für einen Gesundheitsfonds: »Ich kenne im Moment nichts Besseres«, sagte der CSU-Gesundheitsexperte. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer wies Berichte zurück, die CSU habe ihren Widerstand gegen einen Gesundheitsfonds aufgegeben. Nach dem Treffen im Kanzleramt sei das Projekt »weit in die Ferne gerückt«.
In den Gesundheitsfonds sollen nach dem Willen des baden- württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) die Privatversicherten mit einbezogen werden. Auch diese »sollten einzahlen, wenn die Kassen dadurch nicht schlechter gestellt werden und ihre unternehmerische Freiheit behalten«.

Artikel vom 12.06.2006