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Von Matthias Meyer zur Heyde

Ich hoffe,
wie immer!

Wie die Öffentlich-Rechtlichen berichten


Jeweils einen Spieltag lang haben ARD und ZDF über die WM berichtet. Zu früh für ein Fazit, aber erste Punkte dürfen vergeben werden.
Wie informiert das Fernsehen über Fußball? Das Rad kann kein Sender neu erfinden, folglich gleichen sich die Konzepte wie ein Ei dem anderen: Aufgalopp eine Stunde vor Spielbeginn, Analyse in der Halbzeit und nach Abpfiff. Info-Häppchen, über den Tag verteilt.
Und abschließend die Höhepunkte, ob in »Waldis WM-Club« (ARD) oder in »Nachgetreten« (ZDF). Hier werden schöne Tore und verlorene Zweikämpfe, schlaue Sprüche vorab und große Enttäuschungen hinterher humoristisch aufbereitet, und jeder mag für sich entscheiden, welchen Humor er goutiert. Waldemar Hartmanns ein wenig selbstverliebten Altherrencharme? Oder doch lieber Hans Werner Olms und Oliver Welkes Brachialrhetorik?
Der Jubel im Stadion prägt die Atmosphäre wie die Feiern in den Straßen. Auch den Blick über Deutschlands Grenzen scheuen die Öffentlich-Rechtlichen nicht und fangen ganz nette Bilder ein.
1:1. ARD und ZDF trennen sich unentschieden.
Aber die Moderatoren und ihre Teams! Wenn die Mikrofonkönige ins Studio einlaufen, sitzt der Zuschauer mit dem Ersten in der ersten Reihe; mit dem Zweiten sieht er eher schlechter. Delling/Netzer gegen Kerner/Klopp/Meier: Im Spiel zwei gegen drei kam (jedenfalls zum Auftakt) das eingespielte ARD-Duo hurtiger aus den Startlöchern als das arg hüftsteife ZDF-Terzett.
Den, der Johannes B. Kerners Talk kennt, überraschen dessen gekünstelte Sentenzen nicht. »Die Stimmung steigt auch an anderen Orten dieses schönen Landes.« Aaarrgh. Den ansatzlosen Kick aus der Stimmbandritze beherrschen andere besser. Andere verwerten auch die verbalen Pässe geschickter als (der fachlich unantastbare) Jürgen Klopp und Schiedsrichter Urs Meier. »Wie bereitet sich der argentinische Schiri vor?« - »Ich hoffe, wie immer.« Hilfe.
Der freche Gerd Delling und sein Trauzeuge (echt wahr!) Günter Netzer haben schon früher vorgemacht, wie man den Siezfreund zuhörerfreundlich niederbügelt. »Man sieht schon am Anlauf, nicht wahr, Herr Netzer, dass dieser Elfer lieblos geschossen wurde.« - »Da merkt man wieder, Herr Delling, dass Sie der wahre Fachmann sind. Ich sehe aus diesem Anlauf gar nichts.« Zugegeben, zum Auftakt noch fehlten hübsche Spitzen wie dieser Klassiker, aber dass die astronomisch hohen Spielergehälter »unrealistisch, teilweise gar unmoralisch« seien (Netzer), hat Otto Normalverdiener auf vergleichbar prominentem Sendeplatz kaum je gehört.
Zwischenstand: 2:1 für die ARD. Okay soweit? Nö? »War klar, dass Sie nicht verstehen würden, worauf ich hinauswollte.« (Delling)

Artikel vom 12.06.2006