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»Das ist ein Endspiel«

Polen nach der Auftakt-Pleite: Janas in der Kritik

Von Klaus Lükewille
Gelsenkirchen (WB). Bei den Polen stimmt nichts, aber auch gar nichts. Auf dem Platz von Harmonie keine Spur, hinter den Kulissen kocht und brodelt es. Nach dem Fehlstart gab es nur gegenseitige Schuldzuweisungen. Im Mittelpunkt der Kritik: Trainer Pawel Janas.

Das 0:2 gegen Ecuador hatte sie alle schockiert. Wer war schuld? Natürlich die Mannschaft - behauptete der Trainer. Denn Janas stellte fest: »Meine Taktik war gut, sie wurde nur nicht umgesetzt.« Das sahen einige Spieler nicht so, wie der Dortmunder Angreifer Ebi Smolarek: »Sicher, der Trainer gibt die Richtung vor. Aber mir persönlich wäre eine offensivere Variante viel lieber.«
Noch gravierender als taktische Meinungsverschiedenheiten ist das miese Klima im Kader. »In der Qualifikation waren wir ein tolles Team«, sagte der Neu-Wolfsburger Jacek Krzynowek, sehnsüchtig zurückblickend. »Da sind wir als Einheit aufgetreten. Davon ist heute nichts mehr zu spüren.«
Klarer Fall: Für die Atmosphäre in der Truppe ist der Trainer entscheidend mitverantwortlich. Und der autoritäre Janas hat hier, vor allem durch die WM-Ausmusterungen von Torwart Jerzy Dudek und Stürmer Tomasz Frankowski, zu ganz erheblichen Betriebsstörungen beigetragen.
Sind die bis Mittwoch überhaupt noch zu beheben? Smolareks Forderung: »Wir müssen ab sofort nicht mehr über alte Probleme reden, wir müssen uns alle zusammenreißen und mit neuem Schwung in die nächste Partie gehen.« Er sieht gar nicht so schwarz: »Wir müssen jetzt Deutschland schlagen, das wird nicht einfach - aber so einfach ist das.« Das war Fußballrhetorik auf höchstem Niveau, das Polen gegen Ecuador zu keiner Sekunde erreichte. Smolarek übernimmt aber weiter die Optimistenrolle: »Wir haben erst einmal gespielt. Es ist noch gar nichts passiert.«
Das sehen die meisten Polen und vor allem Kollege Kryznowek allerdings anders, ganz anders. »Am Mittwoch gegen Deutschland, das wird ein echtes Endspiel. Da müssen wir gewinnen - sonst sind wir weg.« Wie vor vier Jahren in Südkorea und Japan: Da landete die Mannschaft mit dem Adler nach zwei Auftaktpleiten viel eher als geplant in der Heimat.
Hier ist die Enttäuschung jetzt schon riesengroß. Die Zeitung »Fakt« titelte: »Schande! Kehrt besser nicht nach Polen zurück.« Eine Empfehlung, die in erster Linie dem umstrittenen Trainer gilt. Denn Janas dürfte kaum auf dem Stuhl bleiben, wenn seine Auswahl wieder so früh scheitert. Die 40 000 Zuschauer, die ihre Elf am Freitag in Gelsenkirchen vergeblich unterstützten, verließen mit langen Gesichtern die Arena.
Es war ein verlorenes Heimspiel. Und am Mittwoch in Dortmund folgt eine ganz schwere Auswärtspartie. Siegen oder fliegen. Janas gibt zu: »Unsere Chancen sind nach der Auftaktniederlage jetzt natürlich viel geringer. Ich werde mit den Spielern ein paar sehr ernste Worte sprechen.«
Da haben einige aber die Ohren schon auf Durchzug gestellt - und konzentrieren sich statt dessen auf das Wiedersehen mit Bundesliga-Bekannten. Krzynowek freut sich sogar: »Da treffe ich viele Freunde wie Bernd Schneider und Jens Nowotny.« Smolarek wird sich mit seinem Dortmunder Kollegen Christoph Metzelder duellieren. Den kennt er. Ein Vorteil? »Nein, der kennt mich ja auch - mit allen meinen Stärken und Schwächen.«

Artikel vom 12.06.2006