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»Figo-ro« hier, »Figo-ro« da

Hauptsache, gewonnen: Portugals Kicker sind nach dem 1:0 erleichtert

Von Klaus Lükewille
und Wolfgang Wotke (Fotos)
Köln (WB). Das erste Spiel ist immer das schwerste Spiel. Keiner weiß das besser als Portugal. WM 2002: 2:3-Fehlstart gegen die USA, der Anfang vom Ende, das schnelle Aus schon in der Vorrunde. EM 2004: 1:2 gegen Griechenland. Danach stürmten sie bei ihrem Heimspiel noch bis ins Finale - und wurden gestoppt. Wieder von den Griechen.
Mittelfeldstar Deco, der schon gegen Angola verletzungsbedingt fehlte, musste gestern während des Trainings erneut behandelt werden. Nach dem Spiel hatte der Mann vom FC Barcelona seine Kollegen kritisiert: »Wir waren zu hochnäsig.«

»Where is Greece?« Diese höhnische Frage stand denn auch auf einem Plakat in der Kölner Arena. Otto Rehhagel spielt mit seinen Griechen nur den WM-Zuschauer, dafür hatte es Portugal in der Auftaktpartie wieder mit einem höchst unangenehmen Außenseiter zu tun. Trainer Luiz Felipe Scolari atmete nach dem 1:0-Erfolg erst einmal durch: »Hauptsache gewonnen. Die Afrikaner setzten uns nach der Pause immer mehr unter Druck. Ich wusste, dass diese Eröffnungspartie für uns sehr, sehr schwer werden würde. Leichte Gegner gibt es bei großen Turnieren nicht mehr.«
Keine Frage: Der brasilianische Weltmeister-Trainer von 2002 hat seine griechische Lektion gelernt. Eine Lehrstunde erteilte Scolari dann seinem Jungstar Cristiano Ronaldo. Der war in der ersten Hälfte, in der Portugal sehenswerten Fußball bot, ein höchst gefährlicher Angreifer. Doch nach 60 Minuten holte ihn der Trainer trotzdem vom Platz: »Der Druck von Angola wurde immer stärker, da mussten wir etwas defensiver werden. Außerdem sollte man in so einem Turnier immer Alternativen haben.«
Ronaldo war von seiner Auswechslung selbstverständlich gar nicht begeistert. Die ausgestreckte Hand von Scolari klatschte er nur widerwillig ab und setzte sich mit mürrischer Miene auf die Bank. Dort durfte bei der EM 2004 auch Luis Figo mehrfach vorzeitig Platz nehmen. Scolari, der schon Brasiliens Asse »dressierte«, hat eben keine Angst vor großen Namen. Dass Figo nach der EM beleidigt seinen Rücktritt erklärte, schockierte den Coach nur kurz. Denn inzwischen haben sich beiden versöhnt, Figo spielt wieder für Portugal. »Er ist unser Anführer und der Mann für die magischen Momente«, lobte ihn Scolari.
Wie in dieser genialen Sekunde von Köln: Da überlief Figo, von Real Madrid vor einem als »alter Mann« verspottet und zu Inter Mailand abgeschoben, seinen Bewacher Jamba und legte Pauleta bereits in der vierten Minute lehrbuchmäßig den Ball des Tages vor. »Einfach wunderbar«, schwärmte Scolari später. »Da hat Figo mal wieder seine absolute Extraklasse gezeigt.«
Portugals Denker und Lenker. Da war Musik im Spiel. Es erinnerte an den Barbier von Sevilla: »Figo-ro« hier, »Figo-ro« da. Er verwirrte Angolas Abwehr durch seine Positionswechsel immer wieder. Rechts, links, oder ab durch die Mitte - die Zuschauer feierten ihn mehrfach mit Sprechchören. Die Belohnung für einen Klasse-Auftritt: Figo wurde zum »Spieler des Tages« gewählt.
Noch ein Pokal für den Weltfußballer des Jahres 2001, der im Sommer 2006 seine internationale Karriere krönen möchte: Bei der WM in Deutschland sollen die Tore der Marienfelder Klosterpforte den Portugiesen möglichst lange ganz weit offen stehen - am besten bis zum finalen 9. Juli. An Figo soll es nicht liegen: »Ich fühle mich in sehr guter Form. Und ich glaube, dass ich der Mannschaft weiterhelfen kann. Das Endspiel in Berlin, das wäre ein Traum.«
Doch dieser Weg ist weit, der Anfang war schwer. Das wusste auch Figo: »Mein Respekt gilt Angola. Ein sehr unbequemer Gegner, der zuletzt immer stärker wurde. Mannschaften, die man bei einer WM mit 5:0 oder 6:0 weghauen kann, gibt es nicht mehr.« Deshalb freute sich der Kapitän nach dem Auftakt auch über das magere 1:0. Das war besser als das 2:3 von 2002 und als das 1:2 von 2004. Viel, viel besser.

Artikel vom 13.06.2006