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Mehrkosten für alle unstrittig

Ministerin hält Details zur Gesundheitsreform weiterhin unter Verschluss

Von Reinhard Brockmann
Berlin/Bielefeld (WB). Die Gesundheitskosten für alle Versicherten steigen. Obwohl zur Finanzierung der Gesundheitsreform noch verschiedene Modelle in der Diskussion sind, werden Arbeitgeberkosten weniger steigen, Zahlungen der Bürger in Form von Beiträgen, Prämien und Steuern aber zunehmen.

Die Beratungen zur Gesundheitsreform machen nach Angaben von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und Fachpolitikern der Koalition insgesamt Fortschritte. Als Grundgerüst für die weiteren Beratungen gelte das Konzept eines Gesundheitsfonds, in den die Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern fließen sollen, sagte Schmidt am Freitag in Berlin vor der Bundespressekonferenz.
Unions-Fraktionsvize Wolfgang Zöller sagte, das Modell biete die meisten Möglichkeiten. Die Experten von Union und SPD seien »offen für alle Lösungen«.
Jede Deckelung des Arbeitgeberanteils bedeute eine Mehrbelastung für die andere Seite. Das sagte NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU), der der 16-köpfigen Reformkommission im Gesundheitsministerium angehört, dem WESTFALEN-BLATT: »Wenn man Spitzenmedizin für alle zusagt, bedeutet das, dass die Menschen mittelfristig mehr aus dem verfügbaren Einkommen einzahlen müssen.« Dies sei zweifellos unpopulär in einer Situation, »in der die Menschen weniger verdienen und höhere Steuern zahlen«, sagte Laumann. Zudem sei das System mit mehr Wettbewerb für die, die bisher nicht der Konkurrenz ausgesetzt waren, »auch nicht unbedingt schön.«
Schmidt sagte, die bisherigen Gespräche seien intensiv und konsensorientiert geführt worden. »Vor Ausbruch des wirklichen Sommers werden sie die Einzelheiten erfahren«. Die Reform müsse nachhaltig sein und dürfe nicht nur für zwei Jahre über die Runden helfen. »In der Grundentscheidung der Finanzierung muss Ruhe einkehren«, sagte Schmidt. Das Portemonnaie der Versicherten solle »so weit wie möglich geschont« werden.
Koalitionskreise hatten bestätigt, dass von den SPD- wie auch den Unionsexperten in der Arbeitsgruppe mehrheitlich das Modell eines Gesundheitsfonds favorisiert wird, für das auch Schmidt und Kanzlerin Angela Merkel geworben hatten. Aus dem Fonds erhielten die Krankenkassen pro Versichertem ein bestimmtes Guthaben. Darüber hinausgehende Kosten müssten durch zusätzliche Prämien abgedeckt werden. Zöller warb ausdrücklich für das Modell.
»Wenn es sinnvoll ausgestaltet wird, bin ich fest überzeugt, dass man hier die meisten Möglichkeiten hat.« Mit Blick auf kritische Stimmen in der Union sagte er, CDU und CSU hätten auf Parteitagen schon mal ein ähnliches Konzept beschlossen.
SPD-Vize Elke Ferner betonte: »Entscheidend ist nicht, wie das Kind heißt, sondern wie das Kind aussieht.« Bei der Frage der Finanzierung stehe die Koalition erst am Anfang. Schmidt beharrt offenbar darauf, dass ein solcher Finanzpool nur sinnvoll ist, wenn auch die private Krankenversicherung einbezogen wird. Zöller zeigte sich für eine Einbeziehung der Privatkassen offen. Es müsse aber eine Lösung gefunden werden, bei der diese »nicht tot gemacht werden«, sagte der CSU-Politiker. In einem Spitzengespräch mit Edmund Stoiber hob die CSU unterdessen ihren Widerstand gegen einen Gesundheitsfonds auf.
Klären müssen die Experten unter anderem, in welcher Höhe Steuergelder in den Fonds fließen sollen. Die Union war zudem mit der Forderung nach einem Einfrieren des Arbeitgeberbeitrags in die Verhandlungen gegangen, was die SPD ablehnt. Die Sozialdemokraten wiederum sind gegen eine Kopfpauschale, die jedoch beim Fondsmodell von einzelnen Kassen ergänzend erhoben werden müsste. Seite 4: Leitartikel

Artikel vom 10.06.2006