12.06.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Ivanisevic steht wieder auf

Wimbledon-Sieger von 2001 holt sich die Grand Slam Champions Trophy

Von Hans Peter Tipp
Halle (WB). Der erste Aufschlag, das erste Ass. Als Goran Ivanisevic im Gerry Weber Stadion zum ersten Mal mit gewaltigem Armzug den Ball über das Netz donnerte, beschlich Michael Stich eine ungute Vorahnung.

Und der Wimbledonsieger von 1991 sollte Recht behalten: Im Duell mit dem All-England-Triumphator von 2001 um die Grand Slam Champions Trophy der Altmeister zog er am Samstag mit 4:6, 6:4 und 8:10 den Kürzeren.
Hausherr Ralf Weber gab sich zufrieden mit der Veteranen-Vorstellung: »Ich denke, sie haben eine gute Leistung gezeigt«, sagte er und freute sich über insgesamt 11 500 Zuschauer am sportlichen Eröffnungstag der ostwestfälischen Rasenfestspiele.
Goran Ivanisevic, als »Herr der Asse« im Welttennis bekannt geworden, wurde diesem Ruf auch in Halle gerecht. Seine gewaltigen Aufschläge ließen Stich gar vermuten, »dass er sich von den Aufschlägen her noch immer mit den meisten jetzigen Profis messen« könne. Das hat Ivanisevic, der sich 2005 für das erfolgreiche kroatische Davis Cup Team reaktivieren ließ, aber nicht ernsthaft vor. Er wird sich vornehmlich -Êwie Stich - auf der Senioren-Tour zeigen. Ansonsten hat er sich weitgehend ins Privatleben zurückgezogen - zuletzt zwangsweise wegen einer fast schon chronischen Schulterverletzung.
Der ganzen Stolz des 34-Jährigen gilt seit zwei Jahren ohnehin seiner Tochter Amber, für die er sich zu Hause in Zagreb gewaltig ins Zeug legt. »Ich strenge mich sehr an, ein guter Vater zu sein«, sagte Ivanisevic in Halle. Dass ihn das mitunter sehr auf die Probe stellt, verriet er ebenfalls: »Sie wird meistens fünf bis zehn Mal wach in der Nacht und fängt an zu singen. Wenn sie mal nur ein oder zwei Mal pro Nacht aufwacht, ist das immer schon wie ein Sechser im Lotto.«
Den hätte er - so berichteten im Herbst diverse Medien - gut gebrauchen können. Ivanisevic habe, so hieß es, sein gesamtes Vermögen verloren. Stimmt aber gar nicht, stellte Ivanisevic richtig: »Wahr ist, dass ich eine Stange Geld bei einigen Investments verloren habe. Aber ich nage nicht am Hungertuch, ich muss auch keinen Bankrott erklären. Die Geschichte ist furchtbar dramatisiert worden.«
Wie auch der Streit um den Posten des kroatischen Davis-Cup-Kapitäns: Dies war nämlich die heißeste Spekulation im kalten kroatischen Winter. Dass es nichts wurde aus der historischen Zusammenarbeit des Wimbledon-Siegers mit dem Team der Champions um Ljubicic und Ancic habe an »Schwierigkeiten« gelegen, blieb Ivanisevic in Halle bewusst unpräzise. Gemeint sind wohl Kompetenzstreitigkeiten, schließlich hätte auch Ivanisevic weiter auf das Wort des bisherigen Kapitäns Niki Pilic hören müssen.
Der sollte ihm nämlich vorgesetzt bleiben - inakzeptabel für Ivanisevic. Irgendwann will er dennoch seinem Land als Kapitän helfen: »Vielleicht in 10 bis 15 Jahren.« Dem Tennis bleibt er ohnehin erhalten - nächster Auftritt: in Wimbledon an der Seite von Henri Leconte.

Artikel vom 12.06.2006