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Kahn: »Das kotzt einen an«

Der zweite Torwart gehört zu den Beschäftigungslosen

Berlin (WB/fwk). Er kam als Erster aus der Kabine, und er sagte nichts. Es hatte ihn auch niemand etwas gefragt. Dass Oliver Kahn unterbeschäftigt ist, kennt er von vielen überlegen geführten Spielen des FC Bayern, aber dass er in der Allianz- Arena zu den Beschäftigungslosen zählte, ist ihm neu.
Allein mit dem Ball: Ersatztorwart Oliver Kahn.

In der Halbzeit soll er sogar beim Gähnen ertappt worden sein. Nicht zu übersehen war, dass Kahn die Hände eher gelangweilt in die Taschen der Trainingshosen stopfte. Ein paar Bälle schob sich der zur Nummer 2 heruntergestufte Torhüter mit David Odonkor zu, und der junge Neuling empfand das vielleicht noch als Ehre. Aber Kahn? Hätte der jetzt nicht bei der Ansprache von Klinsmann in der Kabine sein sollen?
Aber den geeigneten Pausenaufenthalt für Reservisten stellt die Umkleide nicht dar, und nichts anderes ist Oliver Kahn im Moment. Auch das lädierte Sprunggelenk von Jens Lehmann brachte ihm nicht den alten Status zurück. Der Arsenal-Schlussmann hielt durch, steht auch gegen Polen im Kasten - der einst unantastbare Titan bleibt während der WM-Spiele weiter ein unbedeutender Mann.
Aber so richtig gut erging es auch seinem Nachfolger nicht: Lehmann hatte sich vorher nicht vorstellen können, von Costa Rica zweimal getroffen zu werden, und das kann er noch immer nicht. So herrscht bei den Deutschen eine leichte bis schwere Torwart-Tristesse. Lehmann darf selbst etwas dagegen tun, Kahn aber wird sich mit fortschreitender Zeit immer nutzloser vorkommen. Wie sich jemand fühlt, der keinen Ball mehr halten darf, schilderte der Münchener dem DSF: »Das kotzt einen irgendwann an.«
Den Magen drehte es Michael Ballack nicht um, er erlebte ja auch nur den WM-Einstieg auf der Bank. Trotzdem hat er schwer daran gekaut. »Er ist unsere Lokomotive. Ihm sagen zu müssen, dass er nicht spielt, hat mir selbst weh getan«, sagte Klinsmann im Rückblick auf den Zweikampf mit seinem wadenharten Kapitän. Am freien Tag der Kollegen strampelte sich Ballack auf dem Rad für Polen ab. Von einer Belastung des Verhältnisses zwischen Coach und Captain wollte keiner sprechen.

Artikel vom 12.06.2006