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Indonesien vor Ort helfen

Bielefelder starten Spendenaktion für Erdbebenopfer

Von Michael Diekmann
Bielefeld (WB). »Ich bin unsicher, weiß nicht was mich in meiner Heimat erwartet«, sagt Andriana Florian-Wowro. Die 41-jährige Indonesierin versucht gar nicht, ihre Angst zu überspielen, schildert lebhaft, was ihr die Eltern aus dem Krisengebiet berichtet haben. Am 17. Juli fliegt die Bielefelderin direkt ins Erdbebengebiet. Das wird kein Urlaub, betont die zweifache Mutter, die im Umland von Yogyakarta die Bielefelder Finanzhilfen beim Wiederaufbau fachkundig begleiten will.

Die Erdbebenkatastrophe in und um Yogyakarta kostete bislang 6200 Menschen das Leben. Mehr als 30 000 Menschen wurden verletzt, über 650 000 obdachlos. Andriana Florian-Wowro erlebte das Unglück 16 Flugstunden von Indonesien entfernt in Bielefeld, am Feuerholz in Sudbrack, wo die Frau mit Ehemann Peter Wowro und den Kindern Nicolas (17) und Glen (5) eben ein eigenes Haus bezogen hat. »Ich habe im Unterbewusstsein gespürt, dass da irgend etwas nicht stimmt«, erinnert sich die Psychologin und Sozialarbeiterin, die seit 1988 in Bielefeld lebt, aber einmal wöchentlich mit den Eltern telefoniert und einmal jährlich auf »Heimaturlaub« geht.
Früh um fünf Uhr wachte Andriana Florian-Wowro auf, griff zum Hörer und rief die Mutter an. »Hier ist gerade Erdbeben«, schrie die in den Hörer, schreiende Menschen waren zu hören, dann Rauschen, dann brach die Leitung zusammen. Schlaflose Nächte für die heimatverbundene Frau, bis sie am Montagabend ein Lebenszeichen aus dem 1000-Seelen-Dorf Sedaya vernahm, von ihrer Mutter Sophia (62). Die ganze Familie hat überlebt, nur ein Schwager ist verletzt. Das Elternhaus blieb bis auf einige Setzrisse stehen.
Die Schilderungen der Verwandten, sozusagen aus erster Hand, bestärkten Peter Wowro, Vorstandsmitglied der Bielefelder Deutsch-indonesischen Gemeinschaft, so wie alle Aktiven im gemeinnützigen Verein, direkt vor Ort Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Die große Hilfswelle rollt, wenn auch anders als beim Tsunami vor Monaten. Und es ist wie in den meisten Fällen - viele Opfer insbesondere im ländlichen Raum drohen durch die Hilfsraster zu fallen. Ganze Dörfer sind zerstört, die Menschen leben unter notdürftigen Dächern aus blauen Müllsäcken oder zusammengesuchten Resten von Wellblechdächern. »Direkthilfe« ist für Peter Wowro, Mitarbeiter der Personalentwicklungsgesellschaft REGE, das Zauberwort. Die Bielefelder »Deutsch-Indonesische« hat die Hilfe organisiert und bei der Sparkasse Bielefeld ein Spendenkonto eingerichtet (Nr. 69 026 789).
Am kommenden Samstag, 17. Juni, wird Andriana Florian-Wowro mit den Kindern in Frankfurt die Maschine nach Indonesien besteigen. Zwei Monate Urlaub, vor Einschulung und Ausbildungsbeginn, waren bei den Großeltern geplant. Die Naturkatastrophe ungeheuren Ausmaßes hat die Pläne jäh beendet. Jetzt will die Bielefelderin im Dorf der Eltern helfen, Bedürftige ermitteln, mit dem Moped herumfahren und sich ein Bild machen und die Finanzmittel aus Bielefeld gezielt einsetzen. Vier Wochen später folgt Ehemann Peter Wowro: »Wir haben eine Mission.«
Das von Bielefeldern erbetene Geld soll den Einheimischen die Möglichkeit geben, sich vor Ort Nahrung oder Ziegelsteine für den Wiederaufbau kaufen zu können. Peter Wowro: »Warentransporte von Deutschland sind wenig sinnvoll. Es gibt nahezu alle Dinge vor Ort in Indonesien.« Besonders hart getroffen hat die arme Bevölkerung um Yogyakarta das Beben, weil sie in einem Land ohne soziale Sicherungssysteme mit dem Wegfall einer Arbeit jegliches Einkommen verloren haben.
Und da können Bielefelder mit einer Geldspende direkt vor Ort bei den Ärmsten helfen. Peter Wowro: »Unsere Gesellschaft garantiert, dass die Spendengelder zu 100 Prozent vor Ort bei Bedürftigen ankommen.«

Artikel vom 10.06.2006