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Von Matthias Meyer zur Heyde

Von Bieren und
Handtaschen

Philosophen und Marktforscher zur WM


Am Morgen des sechsten Tages (einem Samstag also) schuf Gott Mann und Frau. Aber bereits gegen Mittag dachte er (er war ja allwissend), die werden mir die Schöpfung verhunzen, und so ließ er den Mann am Samstagnachmittag das Fußballspiel erfinden.
Bundesliga als Ablenkung.
Der Mann, als Jäger konzipiert, versucht seither, statt in der Gegend (Irak) rumzuballern, mit einem ballistischen Objekt ein 7,32 mal 2,44 Meter großes Jagdgut zu treffen. Die Frau dagegen, geborene Sammlerin, erfand die Handtasche.
Behauptet jedenfalls Peter Sloterdijk (Philosoph).
Jetzt ist WM. Das ist viel besser noch als Bundesliga! Und nun nehmen wir einmal prophylaktisch an, es gäbe echte Freundschaft zwischen Mann und Frau. Dann würde sich heute, spätestens um 18 Uhr, die Frau ihre Handtasche schnappen und zu ihrer Freundin rübergehen. So dass sich der Jäger, der ja seit Erfindung des Ackerbaus ohnehin nicht mehr gebraucht wird, mit den Früchten des Feldes (Erdnüsse sowie Gerste plus Hopfen) vor den Fernseher pflanzen kann, um die »anthropologische Versuchsanordnung« (Sloterdijk) Deutschland gegen Costa Rica zu begutachten.
Ein Traum, leider. Die Wissenschaft hat nämlich festgestellt, dass Frauen beim Fußball kompetent mitreden können. Frauen zwischen 20 und 40 können sogar Abseits erklären. Falls ich das richtig interpretiere, heißt das, erst brauchen sie 20 Jahre, bis sie's verstanden haben, und später vergessen sie's wieder.
Heute um 18 Uhr, so darf man vermuten, zitiert der Mann emphatisch Goethe (»In meinen Adern - welches Feuer! In meinem Herzen - welche Glut!«), und die Frau antwortet schnippisch mit einem Satz von Schiri Herbert Fandel (»Manchmal frage ich mich, wo ich hier gelandet bin!«). Das wird dazu führen, sagen Marktforscher, dass jeder zweite TV-Zuschauer (also jeder Mann) beabsichtigt, bei den Spielen der deutschen Elf (Schiller: »Elf! Eine böse Zahl! Elf ist die Sünde!«) Bier zu trinken. Pro Partie zwei Liter. Macht inklusive Endspiel 14 Liter.
Fast ist man geneigt zu hoffen, die Deutschen schieden bereits in der Vorrunde . . .nein, dann doch lieber Bier.
Vor 32 Jahren lebte der Mann noch bis zum Finale abstinent, erst dann gab's kein Halten mehr. Denn wie sagte TV-Kommentator Rudi Michel nach dem Sieg gegen Holland? Er sprach: »So, meine Herren, jetzt können Sie die Sachen entkorken, die besseren Sachen. Und Sie, meine Damen, dürfen mittrinken.«
Von da an ging's bergab (Hilde Knef). Heute setzt sich die Frau auf die Couch, nuckelt Eierlikör und erklärt mir, wie sie Ballack fit gekriegt hätte. Hätte! »Contra verbosos noli contendere verbis - du sollst mit dem, der schwatzt, zu schwatzen nicht beginnen.« (Cato, Literat)
Mein Tipp heute gegen Cato, äh, Costa Rica? Ein 2:0 sollte drin sein. Nüchtern betrachtet.

Artikel vom 09.06.2006