10.06.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Der königliche Torjäger
greift noch einmal an

Irans Ali Daei kennt sich in Deutschland bestens aus

Von Klaus Lükewille
Schnetzenhausen (WB). Treffender hätte der Name des vornehmen Hauses für den »Trefflichen« nicht sein können. Im Hotel »Zur Krone« in Schnetzenhausen am Bodensee stellten sich Irans Asse vor dem WM-Anpfiff nochmal den Medien. Im Mittelpunkt: Ali Daei (37), der königliche Torjäger.

Die Nummer 1 in der Welt in den Jahren 1996 und 2002. Also gleich doppelt gekrönt. Und so saß er jetzt stolz und hochmotivert auf dem »Thron« im Hotel. Der alte Mann greift noch einmal an. Denn Ali Daei weiß: Diese WM in Deutschland wird sein letztes Gastspiel auf der internationalen Ball-Bühne sein.
Der Kapitän möchte dazu beisteuern, dass seine Mannschaft lange Kurs hält. Vor der ersten Partie an diesem Sonntag gegen Mexiko in Nürnberg (18 Uhr bei RTL) blickte er forsch nach vorn: »Sicher, wir sind in dieser schweren Gruppe nur Außenseiter. Aber ich verspreche: Wir sind gut genug, um für Überraschungen zu sorgen.« Ali war mit dem Iran schon vor acht Jahren am WM-Ball. Damals flog die Mannschaft gleich in der Vorrunde raus, verlor auch gegen Deutschland mit 0:2. Jetzt findet die WM in Deutschland statt, und das ist für Daei eine besondere Freude: Hier kennt er sich aus, hier war er mal für sechs Jahre zu Hause.
Trainer Ernst Middendorp lockte Ali 1997 nach Bielefeld. In Ostwestfalen rieben sich die Fans die Augen: Ein Torjäger aus dem Iran? Spielen die da unten überhaupt Fußball? Und wie! Daei wurde schnell zum Liebling der Arminen: »Hurra, Hurra, it's Ali-Ali-Day«, sangen sie begeistert, wenn der große Dunkle mit dem Schnauzbart mal wieder getroffen hatte. Seine sieben Treffer bis zum Saisonende sollten aber nicht reichen: Arminia stieg trotzdem ab.
Der Iraner blieb erstklassig: Bayern München verpflichtete ihn für vier Millionen Mark, reichte den Angreifer aber schon eine Saison später an Hertha BSC weiter. 107 Einsätze und 19 Tore standen nach sechs Liga-Jahren auf Alis Konto.
Für einen wie ihn eine mäßige Tefferquoute, denn im Nationalteam wurde er schon 109-mal gefeiert. 147 Länderspiele hat er absolviert, ist seit 20 Jahren im Kader und längst Kapitän. Trainer Branko Ivankovic gibt zu: »Ali ist nicht mehr so schnell, aber er bleibt für mich erste Wahl. Seine große Routine ist sehr wichtig.«
Die Gegner haben immer noch Respekt, ja, manchmal sogar Angst, wenn der »König« im Strafraum auftaucht. Ja, er ist schon ein ganz besonderer Typ Fußballer, dieser Ali Daei. Seriös, höflich, geradeaus und korrekt. Als bekennender Islamist lag er auch in Bielefelder Zeiten vor den Spielen auf dem Gebetsteppich. Doch weltliche Werte schätzt er ebenso: In der Liga-Legionärszeit hat er Millionen kassiert.
Die mexikanische Fußballnationalmannschaft indes kann mit Stammtorhüter Oswaldo Sanchez planen. Der Schlussmann, der nach dem plötzlichen Tod seines Vaters in seine Heimat geflogen war, wird an diesem Samstag zum Team zurückkehren. Damit können die Mexikaner gegen den Iran in Bestbesetzung auflaufen.

Artikel vom 10.06.2006