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Schloss im Blumenparadies
Nicht nur der Schriftsteller Victor Hugo war von der Insel Guernsey fasziniert
Dass es in Großbritannien viel regnet, ist ebenso normal wie ärgerlich. Auf den Kanalinseln, die geographisch viel näher an Frankreich liegen, ist das Klima allerdings sehr mild.
Die feuchte Wärme lässt exotische Pflanzen gedeihen, und so präsentiert sich Guernsey als wahres Blumenparadies. Es sind die Küstenwanderwege und zahlreichen Gärten, die Touristen anziehen. Auch der französische Romantiker Victor Hugo war von dem Eiland angetan. Als er 1851 seine Heimat aus politischen Gründen verlassen musste, ging er nach St. Peter Port ins Exil.
Sein Haus baute er zu einem wahren Märchenschloss aus. Von außen ist das Gebäude, welches von den Erben der Stadt Paris übereignet wurde, schmucklos und unauffällig.
Drinnen jedoch wähnt man sich in einer beinahe surrealen Welt. Orientalische Tepppiche, asiatische Vasen, Delfter Kacheln, wertvolle Bücher, britisches Porzellan - Hugo hat seinen Wohnsitz mit erlesenen Kostbarkeiten ausgestattet.
Was die Einrichtung indes so einzigartig macht, ist die Tatsache, dass der Dichter viele Möbel selbst gebaut hat. Aus alten Kirchenbänken, Truhen und Türen wurden Tische und Wandvertäfelungen. Victor Hugo liebte das Spiel mit Symbolismen - auf jedem Quadratmeter finden sich Anspielungen auf Religion und Politik. Unter anderem schrieb er auf Guernsey auch seinen Welterfolg »Les Misérables«.
Lohnenswert ist auch ein Besuch im Inselmuseum. Es präsentiert neben skurrilen Reisemitbringseln aus vergangenen Jahrhunderten auch eine Vielzahl archäologischer Funde. So ist auch »La Gran'mère du Chimquière« zu sehen, eine etwa 4500 Jahre alte steinerne Figur, die Hochzeitspaaren Glück und Kindersegen bringen soll.
Auch das älteste schriftliche Dokument über die Existenz der Insel wird ausgestellt. Das Papier aus dem Jahr 1060 berichtet von sechs Kirchen, die Tribut an eine normannische Abtei zahlen mussten. Auch der Name Sanctu Petri du Portu ist erwähnt - die Inselhauptstadt ist also fast 1000 Jahre alt. Ausführlich wird auch über den Bürgerkrieg des 17. Jahrhunderts berichtet, als die Presbyterianer ein Parlament einrichteten, dem der royalistische Gouverneur allerdings die Anerkennung verweigerte. Erst 1651 kapitulierten die Soldaten der belagerten Festungen.
An die viktorianische Epoche erinnert nicht nur ein Teil der Ausstellung im Museum, sondern auch der Victoria Tower. Im Zweiten Weltkrieg war Guernsey von der deutschen Wehrmacht besetzt. Alle Autos und Radios wurden konfisziert. Deutsche Bürokratie regelte das Leben in dieser Zeit, die heute etwas skurril anmutenden Dokumente brachten den Insulanern allerdings viele Beschwernisse und Leid. An die wiedergewonnene Freiheit nach der deutschen Kapitulation erinnert ein Obelisk am Hafen.
Leider gibt sich Guernsey trotz der Nähe zu Frankreich britischer, als es den Touristen lieb ist. Auf die europäische Gemeinschaftswährung blicken die Insulaner weitgehend verächtlich herab und akzeptieren sie nicht, die Preise sind exorbitant hoch. Ein Kurzbesuch mit dem Kreuzfahrtschiff ist deshalb wohl die günstigste Alternative, um das kleine Eiland kennen zu lernen. Thomas Albertsen
www.visitguernsey.com

Artikel vom 17.06.2006