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Berliner
Luft
geschnuppert
von
Friedrich-Wilhelm
Kröger


Gerade hat man sich an die sommerwarme Berliner Luft gewöhnt, da kommt die nächste Duftnote aus München. So eine Weltmeisterschaft ist eben eine lange Reise. Von der Hauptstadt Deutschlands in die Hauptstadt Bayerns - satte 600 Kilometer, die heute Morgen in Angriff genommen werden. Zurück geht es noch in der Nacht.
Klappt es mit dem WM-Wunschfahrplan, steht dieser Abstecher noch einmal bevor. Nämlich dann, wenn der Gastgeber auch Gruppensieger wird. In diesem Fall müsste er zum Achtelfinale erneut die Allianz-Arena aufsuchen, dürfte aber als Belohnung im Falle eines Sieges das Viertelfinale am Standort Berlin austragen. Ein nicht zu übersehener Vorteil. Platz zwei würde die Mannschaft im weiteren Turnierverlauf nach Stuttgart führen, und zur Runde der letzten Acht müsste sie Schalke ansteuern. Ein Trip mehr also, auf den der DFB-Tross, und nicht nur der, ganz gern verzichten würde. Ganz ohne Kilometerfressen geht es nicht, als Ausflugsziele im Halbfinale warten Dortmund oder München, und erst am Finaltag weht wieder Berliner Luft.
Die schnupperten die Deutschen bei der ersten WM im eigenen Land übrigens nur einmal: beim Auftakt gegen Chile. Bis zur letzten Station in München kämpften sie sich durch und holten dort 1974 gegen Holland den Titel. 32 Jahre später sind die Städte dieselben geblieben, nur möchten die Hausherren jetzt den umgekehrten Weg nehmen. Diesmal beginnen sie in München und wollen Berlin auch noch am Ende sehen. Weitere Zwischenstationen waren damals Hamburg, Düsseldorf und Frankfurt.
Bundestrainer Helmut Schön hatte die Truppe in Malente zusammengezogen, in der Ödnis einer Sportschule. Heute residiert die Mannschaft dort, wo sie nach Meinung ihres Trainers bei so einem Vorzeigeturnier im eigenen Land hingehört: in der Hauptstadt. Als man noch annehmen musste, Rudi Völler würde das Team zur WM führen, wäre die Wahl auf Bergisch-Gladbach gefallen. Zu provinziell, meinte Weltbürger Klinsmann und gab eine neue Richtung in den Routenplaner ein. Zwischendurch wird die Metropole zwar verlassen, aber Reisende kehren auch gern wieder zurück.

Artikel vom 09.06.2006