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Gutes Design ist deutsch

Heute im Gespräch: Helmut Lübke, Präsident der Möbelindustrie

Rheda-Wiedenbrück (WB). Solides made in Germany, Design kommt aus Italien: Gegen diese falsche Zuweisung setzt sich Helmut Lübke, Präsident des Verbandes der deutschen Möbelindustrie, schon seit vielen Jahren zur Wehr. Anlässlich seines 70. Geburtstages sprach der Möbelunternehmer mit Bernhard Hertlein.

Die Design-Orientierung ist vielleicht der wichtigste Grund für den Erfolg Ihrer Möbelfirmen COR und Interlübke. Haben Sie von Anfang an auf diesen Faktor gesetzt?Helmut Lübke: Nicht erst ich, sondern auch schon mein Vater Leo Lübke. Nur hieß »Design« damals »Formgebung«. Diese Haltung ist in unserer Familie erblich, wie mein Sohn, der wie sein Großvater Leo heißt und Chef von COR ist, beweist.

    Was ist Design?Helmut Lübke: Für mich bedeutet es eine konsequente Orientierung an Qualität, Ergonomie und Ökologie. Zum Design muss die Fähigkeit zur Innovation hinzukommen. Es ist nicht so, dass der Verbraucher heute bei tausend angebotenen Sesseln sehnsüchtig auf den 1001. Sessel wartet.

Vor 40 oder 50 Jahren war das anders.Helmut Lübke: Damals wurden die Möbel noch nötiger gebraucht. Sie verkauften sich quasi von selbst. Der Bedarf war riesig.

Haben zu viele Hersteller den Umschwung verschlafen?Helmut Lübke: Das könnte man vielleicht angesichts des gewaltigen Schrumpfungsprozesses in der deutschen Möbelbranche vermuten. Doch viele, die heute nicht mehr existieren, mussten ohne eigenes Verschulden schließen. Zu dem, dass wir von COR und Interlübke sicher manches richtig gemacht haben, hatten wir auch großes Glück. Wichtig war, dass wir uns mit keinem Einkaufsverband abgegeben haben. Diese Verbände des deutschen Möbelhandels brachten anfangs den Produzenten viele Vorteile. Vor allem konnten sie größere Mengen billiger fertigen. Doch einige dieser Verbände haben ihre Einkaufsmacht zu sehr ausgenutzt. Statt die Bildung von Möbelmarken zu unterstützen, haben sie ihre Lieferanten ausgequetscht wie Zitronen. Manche erkennen heute, dass das ein Fehler war. In Italien beispielsweise haben die Einkaufsverbände niemals eine solche Macht erlangt wie in Deutschland.

Ist die Geiz-ist-geil-Mentalität typisch deutsch?Helmut Lübke: Ich weiß es nicht. Aber dieser Werbespruch ist ebenso stupide wie dämlich. Absoluter Geiz rührt von Schamlosigkeit. Er ist egoistisch und also asozial. Es werden Werte zerstört, wenn langjährige Kulturgüter wie Möbel plötzlich verramscht werden. Zum Glück haben wir den Höhepunkt der Geiz-Welle inzwischen überschritten.

Heißt das, dass die Deutschen wieder mehr Möbelgeschmack entwickeln?Helmut Lübke: Genau das zeichnet sich ab. Früher achteten die Käufer auf das, was in der Zeitung als neuer Trend angepriesen wurde. Mal war es Eiche, mal Buche. Mal Uni-Schwarz, mal Blumenmuster. Mal weich und rundlich, mal klar und gradlinig. Heute gibt es keinen Einheitstrend mehr. Gefragt ist Vielfalt. Die Kunden sind selbstbewusst genug, zu kaufen, was ihnen persönlich gefällt.

Eine Frage an den Präsidenten des Rats für Formgebung: Gibt es ein deutsches Möbel-Design?Helmut Lübke: Es gibt eine speziell deutsche Betonung von Qualität und Langlebigkeit. Das beste Design nimmt sich aus unserer Sicht zurück. Es darf nicht aufdringlich sein. Dagegen legen unsere italienischen Mitbewerber mehr Wert auf Optik und das äußere Erscheinungsbild. Sie produzieren »Designer-Brillen«, durch die man nicht richtig sehen kann. Und auf ihren »Designer-Stühlen« kann keiner wirklich gut sitzen. Ich halte diesen Weg für falsch. Trotzdem können wir ein bisschen von der italienischen Leichtigkeit und dem Flair, das damit verbunden ist, lernen. Mit Billigmöbeln können wir jedenfalls nichts mehr werden. Da sind die Chinesen unschlagbar.

Artikel vom 10.06.2006