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Abiturient (19) schafft den Hochschulabschluss

Stipendien für zwei Teilnehmer von »Studieren ab 16«


Bielefeld (sas). Wenn Lennart Gehrmann im Herbst an der Universität Bielefeld sein Studium der Mathematik und Physik aufnimmt, wird er gleich sein Bachelor-Zeugnis in Empfang nehmen können. Denn der 19-Jährige, der gerade am Gymnasium der Stadt Lage sein Abitur abgelegt hat, studiert bereits seit sieben Semestern an der Uni. Er ist einer der erfolgreichen Teilnehmer des Programmes »Studieren ab 16«.
Seit dem Wintersemester 2002/03 gibt es für leistungsstarke und hochmotivierte Schüler die Chance, Veranstaltungen zu besuchen. Mehr als 100 Schüler - aus Brakel ebenso wie aus Minden, Beckum oder Bielefeld - haben diese Gelegenheit wahrgenommen und vor allem in Mathematik, Philosophie, Chemie und Physik, aber auch in Geschichtswissenschaft, Jura und Wirtschaftswissenschaft Vorlesungen besucht und teilweise auch Klausuren geschrieben und Prüfungen abgelegt. »Die Leistungspunkte, die sie bereits erworben haben, werden bundesweit anerkannt«, betont Dr. Andrea Frank, die an der Uni Bielefeld den Bereich »Beratung für Studium, Lehre und Karriere« leitet.
Um die Vorlesungen besuchen zu können, werden die Oberstufenschüler an ein bis zwei Vormittagen vom Unterricht befreit - so lange ihre Leistungen nicht darunter leiden. Die jüngsten Teilnehmer von »Studieren ab 16« waren sogar schon 13 oder 14 Jahre alt. »Für sie gibt es aber keinen Dispens, sie können nur nachmittags Vorlesungen besuchen. Bisher haben sie sich vor allem für das Fach Philosophie entschieden, hier in »Logik« Klausuren geschrieben - und mit die besten Ergebnisse erzielt.
Dass er gleich so weit kommen würde, hatte Lennart Gehrmann, der seit gut drei Jahren mit der Bahn anreist, anfangs nicht gedacht. Als Zehntklässler hatte er lediglich die Idee, einmal für ein Semester in den Hochschulbetrieb hineinzuschnuppern. »Aber dann machte es so viel Spaß, und eine Vorlesung baute auf die andere auf, so dass ich sie auch noch besucht habe...« Von den Kommilitonen fühlt er sich angenommen, hat längst eine studentische Clique. Und auch in seiner Schule gab es keinen Gegenwind, sondern es hieß »Mach' mal«.
Sehr starke Unterstützung hat auch Katharina Brinkert erfahren. Sie hat soeben am Gymnasium von Harsewinkel ihr Abitur abgelegt und studiert seit dem Wintersemester 2004/05 in Bielefeld Chemie. Ihr Anstoß: »Ich wollte unbedingt einen Chemie-Leistungskurs machen.« Und weil der nicht zustande kam, gab ihr ihre Lehrerin Iris Sayk den Tipp, an dem Uni-Projekt teilzunehmen.
Die Abiturientin hat zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die Vorlesung und die Laborpraktika, an denen sie teilnahm, wurden als Besuch des Leistungskurses anerkannt, die Prüfung nahm ihre Lehrerin ab. Zugleich hat sie durch den erfolgreichen Besuch der Veranstaltungen die ersten »Leistungspunkte« erworben. »Ohne den Ansporn durch meine Lehrerin hätte das nicht geklappt«, betont die Abiturientin, deren Faible für Chemie in der siebten Klasse begann und die seitdem an zahlreichen Wettbewerben teilgenommen hat. Ihr Berufsziel: Im Bereich der erneuerbaren Energien zu arbeiten »und Solarzellen zu optimieren«. Lennart Gehrmann könnte sich vorstellen, nach dem Studium der Mathematik und Physik in die Wirtschaft zu gehen. »Am besten wäre aber eine Professur an der Uni Bielefeld.«
Da beide nicht nur leistungsstarke Schüler sind, sondern sich zudem auch an ihrer Schule beziehungsweise Musikschule engagieren und ein breites Allgemeinwissen haben, erhalten sie ein Stipendium der Stiftung der Deutschen Wirtschaft (sdw). »Die Stiftung ist ein Begabtenförderwerk und wurde 1996 gegründet«, erklärt Dr. Axel Benning, Vertrauensdozent der Stiftung und Professor am Fachbereich Wirtschaft der Fachhochschule Bielefeld. Die Höhe des Stipendiums, das für die gesamte Studiendauer gezahlt wird, richtet sich nach den Bafög-Richtlinien.

Artikel vom 09.06.2006