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Der »Härtefall« Ballack:
Plan B heißt Borowski

Verletzter Kapitän fällt aus - Klinsmann bleibt gelassen

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Berlin (WB). Plan B. Das steht nicht für »Plan Ballack«. Plan B bedeutet: Es gibt auch eine zweite Lösung. Und dieser Plan B heißt Borowski. Der Bremer ersetzt heute beim deutschen WM-Eröffnungsball gegen Costa Rica (18 Uhr/ZDF) den lädierten Kapitän, der gestern Abend am Abschlusstraining nicht teilnahm.

Kritik, er habe seine Verletzung verschleppt, sie nicht rechtzeitig »gemeldet« und somit eine Behandlung verhindert, wies Michael Ballack scharf zurück. Rückendeckung gab es von Bundestrainer: »Jeder Spieler kennt seinen Körper doch selbst am besten«, bemühte sich Jürgen Klinsmann um eine faire Einschätzung.
Ballack bleibt buchstäblich ein Härtefall. Trotz andauernder Wadenverhärtung des Spielführers ist Klinsmann aber davon überzeugt, dass seine Jungs weich fallen: »Wir planen immer doppelt. Für jeden, der nicht verfügarbar ist, springt ein anderer ein. Das ist kein Problem.« Zumal sowohl der wahrscheinliche Ballack-Stellvertreter als auch der ebenfalls als Alternative genannte Dortmunder Sebastian Kehl die Anforderungen umsetzen: »Borowski und Kehl laufen auf Hochtouren, dieses Wettkampfdenken fördern wir.«
Ballack kann da zur Zeit nicht mithalten. Auch der auf dem Boulevard-Markt schon als »Wunderheiler« verkaufte Kurt Schweinberger schaffte es noch nicht, den Patienten zu kurieren. Der Naturheiler aus Bayern erfährt bei Klinsmann weder Wertschätzung noch Ablehnung: »Ich kenne ihn nicht. Aber wir sehen das locker. Wenn jemand eine zweite Meinung einholen will, kann er das tun.«
Ballacks Mann des Vertrauens kommt nur an den Verbandsmedizinern um Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt nicht vorbei. »Die Entscheidungen treffen wir«, sagt Klinsmann. Und hat entschieden: Gegen Costa Rica verzichtet er auf Ballack. Noch geht es nur um diese 90 Minuten. Wie dick das Fragezeichen hinter dem Kapitän tatsächlich ist, weiß nur er selbst.
Fest steht: Im ersten Trainingscamp auf Sardinien saß Ballack erkältet im Liegestuhl, gegen Luxemburg wurde er wegen einer Kapselzerrung geschont, gegen Japan spielte er auf ungewohnter Position schlecht, gegen Kolumbien erhielt er offenbar den Schlag auf die Wade, um die Beschwerden jedoch erst später zu bemerken. Ihm fehlen mehrere Übungseinheiten, Klinsmann hat Sonderschichten schon angeordnet: »Wenn die anderen einmal trainieren, muss Michael doppelt ran.« Deutlicher hätte der Trainer das Defizit seines wichtigsten Darstellers nicht machen können.
Ballack kommt zwar immer noch auf 3854 Saisonminuten in Länderspielen, Liga, Champions League und DFB-Pokal, Ersatz Borowski rannte und rackerte aber 4312 Minuten lang. Ob Ballack aufgrund seiner Anfälligkeit noch zum großen Sorgenkind dieser WM wird, lässt sich jetzt noch nicht sagen. Bisher ist sein Fehlen auch als Vermeidung von unnötigem Risiko zu sehen. »Bei Spielern seiner Qualität ist es so, dass sie ein- oder zweimal ersetzt werden können. Für einen längeren Zeitraum wird es schwierig«, sagt Torhüter Jens Lehmann. Ballack kündigte an, zu kämpfen: »Ich tue alles, um fit zu werden. Die WM ist das größte Ereignis meiner bisherigen Karriere. Ich will unbedingt spielen.« Vorsorglich erklärte Klinsmann Kompensation jedoch zum WM-Standard: »Es wird nicht das letzte Mal sein, dass wir einen Spieler verlieren.«

Artikel vom 09.06.2006