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Ernstes im heiteren Rahmen

Wenn aus den schönsten Wochen des Jahres eine »Tollpension« wird

ARD, 20.15 Uhr: Wenn jemand Urlaub macht, kann er bekanntlich einiges erzählen. Wie die schönsten Wochen des Jahren auch aussehen können, zeigt sich, wenn aus Vollpension eine »Tollpension« wird.
Hier sieht alles noch friedlich und fröhlich aus. Familie Mahlström macht es sich im Strandkorb bequem: (v.l.) Kurt (Uwe Ochsenknecht), Kati (Nina Szeterlak), Marga (Petra Zieser) und Felix (Kevin Köppe).Foto: ARD

Familie Mahlström mit Vater Kurt (Uwe Ochsenknecht), Ehefrau Marga (Petra Zieser) und den halbwüchsigen Kindern trifft zum wiederholten Mal am selben Urlaubsort an der Ostsee ein, aber diesmal ist eben alles etwas anders als bisher. In der vertrauten Pension sind diesmal die Zimmer mit Meerblick schon vergeben, man starrt in den Hinterhof, sieht statt Meeresblau das Blau der Mülltonnen, und im Frühstücksraum nimmt am Nebentisch eine Gruppe Behinderter Platz - die Mahlströms fühlen sich in der »Tollpension« ziemlich brüskiert.
Die Behinderten waren für die Autorin Anne Müller der frühe Anstoß für ihr erstes verfilmtes Drehbuch geworden. Sie sah sie im heimatlichen Schleswig-Holstein am Ostseestrand herumplantschen, in einem der typischen bürgerlichen Badeorte. Erster Gedanke: Wie nun, wenn einer der Badegäste damit in seiner Pension konfrontiert würde? Gab es nicht sogar einmal einen Musterprozess, bei dem ein Urlauber sein Geld zurückgefordert hatte, weil in seinem Hotel Behinderte untergebracht waren?, fragte sich Anne Müller.
Vater Kurt quälen allerdings noch ganz andere Sorgen: Arbeitslosigkeit droht. Seine Musterehe ermüdet. Ehefrau Marga blinzelt dem attraktiven Touristenpfarrer zu. Auch die Kinder machen Sorgen. Filius Felix (Kevin Köppe) betrinkt sich schon mal hemmungslos, um als »richtiger Mann« zu gelten. Töchterchen Kati (Nina Szeterlak) flirtet heftig mit dem hübschen Zivildienstleistenden Dominik (Jacob Matschenz), der die Behinderten betreut.
Diese Behinderten stammen aus dem Bremer Blaumeier-Atelier. Unter ihnen befindet sich auch Bobby Brederlow, der das Down-Syndrom hat und den schon Filme wie »Liebe und weitere Katastrophen« mit Senta Berger und vor allem »Bobby« bekannt gemacht haben. Uwe Ochsenknecht hat schon einmal mit ihm gefilmt: »Wir mögen uns sehr und kommen toll miteinander klar«, sagt der Schauspieler. »Dass er zuweilen eitel ist wie alle Schauspieler, gehört nun mal dazu.«
Kleine Schwierigkeiten gab es nur, als Bobby ins Wasser musste, denn auch dieses Wasser war »echt«, die originale Ostsee. Davor fürchtete sich Bobby etwas. Die »Tollpension« selbst steht in der Nähe von München, wo der größte Teil des Films im vergangenen Sommer entstand: ein gelungener Versuch, ernste Probleme in einem heiteren Rahmen zu stellen. Ochsenknecht: »Eigentlich schildert unser Film einen Lernprozess, und darin steckt eine ganz schöne Portion Tragödie.«

Artikel vom 07.06.2006