07.06.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Sorgen um Ballack:
Kapitän nicht an Bord?

Vor dem Auftakt: »Medizinmänner« sind gefordert

Berlin (dpa). Die deutschen Fußball-Nationalspieler sehnen den WM-Anpfiff herbei - nur Michael Ballack braucht jede Stunde. Der Kapitän rechnet zwar trotz einer »hartnäckigen« Wadenverletzung fest mit seinem Einsatz am Freitag gegen Costa Rica, aber gesichert ist die Aufstellung des wichtigsten deutschen Spielers nicht.

Nach der erfolgreichen Blitz-Genesung von Philipp Lahm hofft Jürgen Klinsmann einmal mehr auf die heilenden Hände der DFB-Mediziner um »Doc« Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, der sich als Vereinsarzt des FC Bayern München mit Ballacks Muskeln und Sehnen bestens auskennt. »Unsere medizinische Abteilung leistet unglaubliche Arbeit. Es wird alles getan, damit er am Freitag hundertprozentig einsatzfähig sein wird«, sagte Klinsmanns Assistent Joachim Löw. Ballack konnte auch gestern nicht am Mannschafts-Training teilnehmen.
Auch wenn die Beschwerden des Kapitäns längst zu einem ständigen Begleiter der DFB-Auswahl geworden sind, sorgte die neuerliche Blessur vor dem WM-Ernstfall für Unruhe im DFB-Quartier. »Das hat schon ein bisschen auf die Stimmung gedrückt«, verriet Löw. Im Gegensatz zum Patienten Ballack (»Ich gehe davon aus, dass ich spielen kann«), der beim Trainings-Feinschliff ausfällt, wählte der Coach keine verfrühte Entwarnung: »So eine Wadenverletzung ist immer mit einem gewissen Risiko verbunden.«
Die sportliche Leitung dürfte wohl ein wenig verstimmt auf Ballacks Krankmeldung nach der Zusammenkunft im Berliner WM-Quartier am Pfingstmontag reagiert haben. Denn der Kapitän verschenkte wichtige Behandlungszeit, nachdem er die Verhärtung in der Wade schon im Kolumbien-Spiel erlitten hatte. Am Wochenende war der Bluterguss schlimmer geworden. »Den freien Tag habe ich aber doch lieber mit meiner Familie verbracht, als schon Sonntag anzureisen«, bemerkte Ballack.
Schon im Trainingslager am Genfer See hatte der Kapitän wegen einer Kapselverletzung am Sprunggelenk pausieren müssen und auch das Testspiel gegen Luxemburg (7:0) verpasst. Ein Ausfall gegen Costa Rica jedoch wäre ungleich schlimmer. »Michael weiß, wie wichtig er für uns Trainer und für die Mannschaft ist«, betonte Löw.
Ballack ist in der jungen deutschen Mannschaft der Dreh- und Angelpunkt sowie der unumstrittene Chef. So wurde sein Warnruf nach dem ernüchternden 2:2 gegen Japan von allen umgehend befolgt und mit einer besseren Balance zwischen Offensive und Defensive bei der WM-Generalprobe umgesetzt. »Kolumbien war ein Schritt in die richtige Richtung«, sagte der Kapitän - aber zufrieden ist er noch nicht: »Jetzt geht's los, jetzt kommt die WM - wir müssen uns steigern.«
Die Mannschaft brennt, hat Löw festgestellt. »Die Spannung steigt, die Spieler fiebern dem Eröffnungsspiel entgegen.« Costa Rica rückt auch im Training und bei den Sitzungen im »Schlosshotel« immer mehr in den Blickpunkt. Mit einer DVD, an deren Beginn Landeskunde über den mittelamerikanischen Kleinstaat stand, stimmte Klinsmann seine Mannschaft auf den Auftaktgegner ein. Den deutschen Spielern wurden in einem Zusammenschnitt des 3:0-Sieges von Costa Rica gegen die USA in der WM-Qualifikation die Stärken des ersten Gruppengegners vor Augen geführt. Sie waren beeindruckt. Doch Löw stellte fest: »Aber wir haben auch einige Schwächen entdeckt.«

Artikel vom 07.06.2006