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Verein chancenlos gegen
eine »freche« Reiterin

Landgericht weist ein Betretungsverbot zurück

Von Uwe Koch
Bielefeld (WB). Der Vorstand eines Reitvereins darf einem Mitglied kein Betretungsverbot der Anlage aussprechen, sofern diese Maßnahme in der Satzung des Clubs nicht geregelt ist. Mit diesem Urteil hat das Landgericht Bielefeld Sanktionen gegen eine heimische Reiterin aufgehoben.

Dreh- und Angelpunkt der Zivilklage war eine Auseinandersetzung zwischen der 22-jährigen Reiterin Marietta P. (alle Namen geändert) und dem Kassierer des Reitvereins. Die junge Frau stand im Verdacht, mit einem Pferd die Reitanlage zu nutzen, das zwar in den Stallungen des Vereins als »auswärtiges Pferd« untergebracht war, für das aber keine Hallengebühr gezahlt worden war.
Im Verlauf eines persönlichen Zusammentreffens stellte Kassierer Helmut X. die junge Frau deshalb zur Rede. Ihre Erwiderung stieß auf den Unmut einer ebenfalls anwesenden Vorstandsdame, die die Reiterin daraufhin barsch als »freche Rotzgöre« bezeichnete. Die Reiterin konterte daraufhin mit dem Spruch »Nun halten Sie mal die Schnauze«.
Der Vorstand des Reitvereins sah sich gezwungen, zwei Abmahnungen an die Reiterin zu senden, da die Frau »mehrfach wegen frecher Aussagen aufgefallen« sei. Sie habe das zu unterlassen, sonst sei sie aus dem Verein zu verweisen.
Zu einer Vorstandssitzung war Marietta P. nicht erschienen: Sie habe sich eine Blasenentzündung zugezogen, da sie aufgrund des Verdikts stets im Freien reiten müsse. In ihrer Abwesenheit beschloß der Vorstand ein Betretungsverbot der Anlage gegen die Frau, sofern sie sich nicht entschuldige. Die Reiterin wehrte sich, rief den Ältestenrat des Reitvereins als Schlichtungsstelle an. Der Vorstand sprach daraufhin sogar dem Ältestenrat die Kompetenz in dem Fall ab, wiederholte das Anlageverbot.
Die junge Reiterin beschritt den Klageweg zu den ordentlichen Gerichten und hatte letztlich damit Erfolg. Schon das Amtsgericht stellte fest, dass laut Satzung ein Vereinsausschlussverfahren klar geregelt sei. Hier handele es sich um eine »Vereinsstrafe«, und die könne gerichtlich überprüft werden. Das Amtsgericht gab der Klage auf Aufhebung des Betretungsverbotes der Anlage statt.
Auch die 21. Zivilkammer des Landgerichts sah in dem Fall eine »Disziplinierung« der Reiterin, und das stehe dem Vorstand nicht zu. Darüber, so Vorsitzender Richter Hans-Dieter Dodt, könne allein eine Mitgliederversammlung befinden. Die Begründung des Vereins, man übe doch nur das Hausrecht aus, sei unsinnig. So könne man mit Vereinsfremden, jedoch nicht mit Mitgliedern umgehen. Auch das Landgericht gab der Klage der Frau statt.
Ob es indes sinnvoll sei, dass die junge Reiterin weiterhin am Vereinsleben teilnehme, hielt Dodt für zweifelhaft. Marietta P. hingegen will weiter in dem Verein gesellschaftlich verkehren, denn da »kann ich in die Kneipe gehen und Turniere reiten«. Az. 21 S 84/06

Artikel vom 07.06.2006