07.06.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Bezaubernde Klanggiganten

Auftakt der Nachtkonzerte-Reihe

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Sommerzeit -ĂŠNachtkonzertzeit. Fehlt nur noch das passende Wetter. Aber das ließ sich zum Auftakt der Konzertreihe im Innenhof der St. Jodokuskirche nicht aus der Reserve locken. Dem musikalischen Genuss tat der Umzug in die Kirche keinen Abbruch. Im Gegenteil: Der Nachhall des Kirchenraums verstärkte den Klang der zwei Marimbas noch einmal bis zur Obertönigkeit.

Marimbas sind echte Klanggiganten. Sowohl was ihre imposanten räumlichen Maße, ihren Ambitus von fünf Oktaven sowie ihre Klangmöglichkeiten anbelangt. Der warme, lang ausschwingende Ton kann je nach Anschlagsintensität in schier unendlichen dynamischen Abstufungen variiert werden. Einsatzmöglichkeiten liegen sowohl im melodiösen als auch perkussiven Bereich. Allesamt Eigenschaften, die das ursprünglich aus Afrika stammende und über Südamerika nach Europa gelangte Instrument zu einem attraktiven Klangkörper machen. Neben der Folklore hat sich die Marimba in den vergangenen 50 Jahren auch im Konzertbetrieb einen festen Platz erorbert.
Raymond Spons und Bart von Grinsven gehören zu jenen Schlagwerkern, die das Spiel auf der Marimba perfektioniert haben. Das Duo aus den Niederlanden präsentierte neben einer Ravel-Bearbeitung ausnahmslos zeitgenössische Kompositionen, die in ihrer Summe das Spektrum der Möglichkeiten weit ausloteten.
Begonnen wurde mit einem Stück von Morris Lang, jenem Schlagzeuger, der stark zur Popularität der Marimba beigetragen hat. Sein »Fission solo for two mallet instruments« schlägt eine Brücke von der Zwölftonmusik zu tonalen Melodiebögen. Dialogisch aufgebaut, bezieht das Werk seinen Reiz aus dem Spiel der Gegensätze sphärischer Triller und markiger Akkordschläge.
Der 1962 geborene Nebojsa Zivkovic ist in Bielefeld kein unbekannter. 2003 erfolgte in der Oetkerhalle die Uraufführung eines seiner Schlagzeugkonzerte durch die Bielefelder Philharmoniker. Hier war's mit »Uneven Souls« ein virtuoses Solostück, das den Klangfarbenreichtum der Marimba funkeln ließ.
Das Gänsehautstück des Abends lieferte die Komponistin Eveline Glennie mit dem Choral »A little prayer«. Eine Melodie in hauchzart an- und abschwellenden Trillerketten streichelte die Gehör- und Seelengänge des fasziniert lauschenden Publikums, welches sich das Stück am Ende noch einmal als Zugabe erklatschte.
Mit seinem mystisch-sphärischen, immer dichter werdenden Klangteppich nahm Rich O'Meara minimalistisch komponiertes Stück »Wooden Music for two marimbas« für sich ein, derweil »Ghanaia für Marimba solo« mit seinen afrikanisch gefärbten Rhythmen und Melodien zurück zu den Wurzeln des Instruments führte. Der 1976 geborene Vincent Cox, jüngster Komponist des Abends, brachte das Kunststück zuwege, sich in »Doublegame« vor Bach und Deep Purple gleichzeitig zu verbeugen. Sein atmosphärisch dichtes Stück nahm Anleihen beim Barock und Hardrock und wurde einnehmend spannungsvoll und mit enormer Virtuosität zu Gehör gebracht. -ĂŠEin wundervoller Konzertabend voller Entdeckungen!
Das nächste Nachtkonzert findet am Sonntag, 11. Juni, statt. Auf dem Programm steht niederländische Musik des frühen 17. Jahrhunderts für Blockflöte und Chitarrone. Beginn ist um 21 Uhr.

Artikel vom 07.06.2006