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Prozessauftakt
im Fall Parmalat

Betrug: 15 Milliarden Euro Schulden

Rom (dpa). Zweieinhalb Jahre nach dem Zusammenbruch des Milch-Riesen Parmalat hat gestern im norditalienischen Parma der Prozess gegen führende Manager des Unternehmens begonnen. 64 ehemalige Chefs und Mitarbeiter sitzen auf der Anklagebank, die Prozessakten umfassen 2,5 Millionen Seiten.

Unter den Angeklagten sind der Ex-Parmalat-Chef Calisto Tanzi, sein Sohn Stefano, sein Bruder Giovanni sowie der ehemalige Finanzchef Fausto Tonna. Ihnen werden vor allem Bilanzfälschung, Gründung einer kriminellen Vereinigung und betrügerischer Bankrott vorgeworfen. Nebenkläger in dem Prozess sind zahlreiche Kleinanleger, die bei der Milliardenpleite im Dezember 2003 ihr Geld verloren haben.
Parmalat - das bei seinem Zusammenbruch 36 000 Menschen beschäftigte - war bei einem der größten Betrugsskandale der europäischen Unternehmensgeschichte unter einem Schuldenberg von fast 15 Milliarden Euro zusammengebrochen. »Immerhin 135 000 Kleinanleger sahen ihre Ersparnisse in Milch ertrinken«, kommentierte eine Zeitung.
Der Skandal war am 19. Dezember 2003 ins Rollen gekommen, als die Bank of America mitteilte, dass ein angebliches Konto der Parmalat-Tochter Bonlat auf den Cayman-Inseln nicht existiere, auf dem knapp vier Milliarden Euro liegen sollten. Die Ermittlungen ergaben später, dass ein Parmalat-Mitarbeiter einen vermeintlichen Brief der Bank gefälscht hatte. Bonlat soll eigens zur Bilanzfälschung gegründet worden sein.
Calisto Tanzi hat bereits mehr als 100 Tage im Gefängnis verbracht und steht seither unter Hausarrest. Der heute 68-Jährige ist durch den Skandal sichtlich gealtert, er wirkt schwach und angeschlagen und kämpft mit Herzproblemen. »In meinem Leben gibt es keine Siege mehr. Aber die Zeit wird auch die Niederlagen auslöschen«, sagt er. Von den kriminellen Machenschaften seiner Vertrauten habe er nichts gewusst, beteuert er. »Das war mein Fehler: Mein Desinteresse und meine Unfähigkeit in Finanzfragen«, gesteht er.
Bei einem anderen Parmalat-Prozess in Mailand, der bereits im vergangenen September begonnen hatte, bat er zuletzt um Verzeihung: Er empfinde »Schmerz und Reue« und wisse, dass er Schaden angerichtet habe. Seither versucht Insolvenzverwalter Enrico Bondi, den Milch-Konzern wieder auf Kurs zu bringen. Im Oktober vergangenen Jahres wagte Parmalat die Rückkehr an die Mailänder Börse - mit Erfolg.

Artikel vom 06.06.2005