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»Auch ein Ronaldinho muss noch viel lernen«

Pelé macht Druck: Titelverteidiger Brasilien ist da

Königstein (dpa). Strahlend und siegessicher hat die »Seleção« den Boden betreten, auf dem sie zum sechsten Mal den Weltmeistertitel erobern will. Um 23.10 Uhr landete am späten Sonntagabend in Frankfurt/Main die Eurowings-Maschine mit der brasilianischen Nationalmannschaft.

Ronaldinho gab lächelnd sein erstes Interview im Land des WM-Gastgebers, Ronaldo winkte den 250 Medienvertretern freundlich zu, und Kaká filmte die Szenerie mit einer Videokamera, als sei es die erste Sequenz einer weiteren Erfolgsgeschichte der Ballzauberer vom Zuckerhut. »Wir haben eine gute Vorbereitung hinter uns und sind für die WM gerüstet«, sagte »Weltfußballer« Ronaldinho mit gewohnt leiser Stimme. »Die Favoritenrolle hört auf, wenn das Turnier anfängt. Aber das ist uns allen bewusst.«
Nach der Busfahrt ins Hotel Kempinski Falkenstein in der Taunus-Gemeinde Königstein gab es ein gemeinsames Nachtessen. Für gestern hatte Carlos Alberto Parreira seinen Starkickern freien Ausgang bis 22.30 Uhr gegeben. Die WM-Generalprobe hatte seine Mannschaft nicht glänzend, aber standesgemäß absolviert: Gegen Neuseeland, Nummer 120 der FIFA-Weltrangliste und WM-Teilnehmer von 1982, gab es in Genf einen 4:0 (1:0)-Sieg.
»Das war eine gute Vorstellung«, sagte der Nationaltrainer und lobte vor allem seine Deckung: »Wenn wir bei der WM so aufmerksam auftreten, kann uns niemand wegen einer Nachlässigkeit in der Abwehr überraschen.« Allerdings patzte Abwehrchef Lucio vom FC Bayern München zwei Mal - und im Angriff zeigten die Brasilianer Abschlussschwächen.
Wieder einmal war Kaká der herausragende Spieler. »Unabhängig vom Gegner haben wir gut gespielt und viel getan. Wir haben die Voraussetzungen, die WM zu gewinnen«, sagte der Mittelfeld-Regisseur des AC Mailand. Kein so glückliches Gesicht machte Stürmerstar Ronaldo währen des Härtetests. In der Vorbereitung in Weggis/Schweiz hatte er ständig Fragen nach seinem Körpergewicht beantworten müssen, nun nach seinen wunden Füßen. »Ich habe eine Blase am Fuß, möglicherweise von einer Naht des Schuhs, der neu ist«, meinte der WM-Torschützenkönig.
In der ersten Halbzeit hatte Ronaldo zwei Mal raus müssen, um die Schaumstoffeinlagen in seinen himmelblauen Kickstiefeln zu ordnen. In der 43. Minute erlöste er sein Team mit dem Tor zum überfälligen 1:0, bevor er sich zur Pause gegen Robinho auswechseln ließ. Adriano (51.), Kaká (83.) und der eingewechselte Juninho (90.+2) erzielten die weiteren Tore. Die Partie wurde in 100 Länder übertragen.
Vor dem ersten Gruppenspiel am 13. Juni in Berlin gegen Kroatien hat derweil Brasiliens Fußball-Legende Pelé Superstar Ronaldinho in die Pflicht genommen. »Diese WM wird eine große Herausforderung für ihn. Klar, er ist ein Weltklasse-Fußballer. Aber in einem Wettbewerb wie der WM muss auch er noch sehr viel dazulernen«, sagte der dreimalige Weltmeister. »Er muss die Form bringen, die er diese Saison bei Barcelona gezeigt hat.«
Pelé hofft, dass Ronaldo nach seiner von Verletzungen geprägten Saison bei Real Madrid wieder zu seiner Topform findet. »Wir sorgen uns um Ronaldo, weil er so wichtig ist«, sagte der 65-Jährige. »Aber ein großer Vorteil unserer Mannschaft ist, dass wir für fast jede Position zwei Riesen-Spieler haben. Welche andere Mannschaft kann das schon über sich sagen?«

Artikel vom 06.06.2005