03.06.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Oberkirchenrat Dr. Peter Friedrich, Evangelische Kirche von Westfalen.

Geburtstag der christlichen Kirche

Gesitliches Wort zum Pfingstfest von Oberkirchenrat Dr. Peter Friedrich


Liebe Leserin, lieber Leser,
nehmen wir einmal die wichtigsten christlichen Feiertage: Weihnachten, das Fest der Geburt Jesu Christi - da platzen unsere Kirchen aus allen Nähten. Karfreitag, der Tag der Kreuzigung Jesu, ist auch noch einigermaßen im Bewusstsein der Menschen verwurzelt. Ostern, das Fest der Auferstehung Jesu Christi - da wird es schon schwieriger. Und Pfingsten? Das sind eben zwei freie Tage und bei schönem Wetter fahren wir hinaus ins Grüne...
Dabei muss man wissen: Pfingsten gehört zu den wichtigsten christlichen Feiertagen. Der Name geht auf das griechische Wort »pentecoste« (der fünfzigste) zurück, weil das Pfingstfest seit etwa Ende des 4. Jahrhunderts 50 Tage nach Ostern gefeiert wird.
Die biblischen Berichte schildern ein außerordentliches Ereignis, einen Neuaufbruch, eine neue Gemeinschaft unter den Jüngern: »Sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in anderen Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen« (Apostelgeschichte 2, Vers 4). Pfingsten ist also das Fest des Heiligen Geistes und zugleich der Geburtstag der christlichen Kirche. Ohne das Wirken des Heiligen Geistes gäbe es keinen lebendigen christlichen Glauben. Der Glaube würde zum toten Dogma, zur bloßen Behauptung. Jede Predigt bliebe menschliches Geschwätz.
Alles Tun und Handeln der Christen bliebe hohler Schein. Ohne den Heiligen Geist kein wahrer Gottesdienst, kein überzeugtes Singen und Beten, kein aufgeschlossenes Hören des Wortes Gottes, keine christliche Hoffnung, kein mutiges Bekennen, keine Liebe in der Nachfolge Jesu, kein Engagement der Kirche in der Welt und in unserer Gesellschaft. Für Christen gibt es kaum etwas Wichtigeres als den Heiligen Geist, als die Bitte um ihn, als die Ausgießung des Heiligen Geistes in unser Leben, in unsere Welt hinein. Und genau darum geht es am Pfingstfest.
Der Heilige Geist ist nicht der »Flaschengeist«, den wir aus dem Märchen kennen. Er ist auch nicht der menschliche »Geist«, der sich in Gedanken, Ideen und Vorstellungen, in Intelligenz und Verstand äußert. Nein, der Heilige Geist ist der Geist Gottes, der Geist Jesu Christi, die Wirksamkeit des lebendigen Gottes in der Welt. Der Heilige Geist ist die erneuernde, umgestaltende und verwandelnde Kraft Gottes, die uns in der Tiefe unserer Existenz ergreift. Er lässt uns Jesus Christus als unseren Herrn erkennen und ruft uns in seine Nachfolge. Er aktualisiert Gottes Wort für unsere Zeit und unser persönliches Leben. Er befreit uns von falschen Bindungen, schenkt uns Vertrauen und Mut zur Zukunft, stiftet Frieden und Versöhnung, Liebe und Mitmenschlichkeit.
In unserer schnelllebigen Zeit grassieren allerorts Programme zur Verbesserung der Welt. Meinungsmacher und Medien arbeiten mit allen Mitteln, versuchen zu lenken und zu beeinflussen. Aber was Gott uns durch seinen schöpferischen und Leben spendenden Geist zu sagen hat, lässt sich in kein Programm zwängen. Es ist mehr, als unser Denken fassen und unser Wille wollen kann. Der Geist Gottes weht wo er will und er weht auch wie er will. Aber wo er am Werke ist, da entdecken wir Menschen den Sinn und das Ziel unseres Lebens, da entdecken wir die Gaben, die Gott uns schenkt zur Gestaltung unseres Lebens und unserer Welt. Wo er am Werke ist, da freuen wir uns darüber, dass es die Gemeinschaft der Kirche gibt. Er zeigt uns den Weg, die Wahrheit und das Leben. Er schenkt Freiheit zum Leben, Klarheit zum Denken, Kühnheit zum Glauben und Mut zum Handeln.

Artikel vom 03.06.2006