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Bank-Quartett komplett:
»Dummer Dick« ist auch dabei

Die Niederlande treten bei der WM-Endrunde gleich mit vier Trainern an

Von Klaus Lükewille
Bielefeld (WB). Sie schweben aus aller Welt ein, diese fliegenden Holländer. Die kleine Nation stellt beim großen WM-Turnier gleich vier Trainer. Sie sitzen auf der Bank der Australier, sie lassen die Südkoreaner stürmen, sie betreuen Trinidad und Tobago. Und ein Niederländer will mit der eigenen Mannschaft endlich mal Weltmeister werden.

1974 und 1978 war das Oranje-Team kurz vor dem Ziel. Doch dann hieß in München gegen Deutschland und in Buenos Aires gegen Argentinien: Endstation Endspiel. Das steuert Marco van Basten (53) wieder mit seiner Auswahl an. Der ehemalige Weltklasse-Stürmer steht jetzt außerhalb des Rasens vor seiner großen Bewährungsprobe. An Deutschland-Auftritte hat er eigentlich nur beste Erinnerungen. Hier wurde der Torjäger 1988 in München gegen Russland Europameister.
Der erste und zugleich bisher letzte Titel, den die kleine Nation mit dem so großen Spieler-Reservoir holte. Vor vier Jahren, als es in Japan und Südkorea um die WM-Krone ging, da waren sie gar nicht dabei. Und mussten sich vom Nachbarn Deutschland das Spottlied anhören: »Ohne Holland fahren wir zur WM.«
Ein Fußball-Fachmann aus Holland mischte in Asien aber kräftig mit. Guus Hiddink (59), als Bondscoach mit »Oranje« bei der WM 1998 erst im Halbfinale gegen Brasilien gescheitert, er machte den Südkoreanern Beine. Die Gastgeber rannten unter seiner Regie bis in die Vorschlussrunde. Hiddink wird heute noch in Seoul wie ein »Held« verehrt.
Einen Status, den der Niederländer jetzt auch in Australien erreichen möchte. Er steuerte die Mannschaft vom fünften Kontinent nach der Premiere von 1974 endlich wieder in eine Endrunde.
Halbfinale 1998 mit den Niederlanden, Halbfinale 2002 mit Südkorea - wie weit kommt Hiddink jetzt mit Australien? Er ist Realist: In der Vorrunde droht schon das »Aus.« Denn die Gegner heißen Brasilien, Kroatien und Japan. Aber Hiddink, ein Fußball-Globetrotter, hat nach der WM schon eine neue Aufgabe: Dann soll er Russland 2010 zur WM führen.
In Russland trifft der Trainer einen Landsmann wieder, der ebenfalls bereits bei den Russen angeheuert hat. Dick Advocaat (58) betreut demnächst Zenit St. Petersburg. Aber erst einmal hat er das schwere Erbe Hiddinks in Südkorea übernommen. Die große Frage: Ist dieser Niederländer wirklich WM-tauglich? In Mönchengladbach haben sie da ihre Zweifel, bei Borussia scheiterte der sture Coach.
Und auch in der Heimat hält sich die Begeisterung für Advocaat in Grenzen. Als er bei der EM 2004 gegen Tschechien durch einen »Wechsel-Fehler« den Sieg verschenkte, beschimpften sie ihn in den Medien: »Dummer Dick«.
Leo Beenhakker (63) genießt dagegen den Ruf, ein ganz schlauer Trainer zu sein. Der Kettenraucher, der Landsmann Rudi Carrell so sehr ähnlich sieht, gilt in Fachkreisen als erstklassiger Psychologe und Motivator. Einer mit dem richtigen Händchen, der auch Stars führen kann. Weltenbummler Beenhakker, der schon in Spanien (bei Real Madrid), der Schweiz, der Türkei, in Mexiko und Saudi-Arabien arbeitete, er passt mit diesem Profil prima zu seiner aktuellen Mannschaft. Die Kicker aus Trinidad und Tabogo dürfen unter seiner Regie ihre erste WM spielen.
Beenhakker hat auch hier Erfahrung. Aber er denkt da nicht so gern an Deutschland. Denn als Bondscoach saß er im Sommer 1990 auf der Bank der Niederländer, als sie im Achtelfinal-Krimi in Mailand gegen die DFB-Auswahl mit 1:2 aus dem Turnier flogen.
Niederlage für die Niederländer. Bei der WM 2006 sind gleich vier Trainer im Rennen, die verlieren können - oder wird einer von ihnen zum ganz großen Gewinner?

Artikel vom 07.06.2006