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Musikalisches Hoffen und Bangen um Liebe

7. Freitagskonzert der Bielefelder Philharmoniker

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). In Musik erzählte Geschichten, die um Enttäuschung und Erfüllung in der Liebe kreisen, und eine junge, mit allen Vorzügen der Natur gesegnete Pianistin -ÊRomantiker mit Sinn für Sinnlichkeit und seelische Grenzgänge kamen beim siebten Freitagskonzert der Bielefelder Philharmoniker voll auf ihre Kosten.

Dabei fährt Amazone »Vlasta« in der von Bedrich Smetana vertonten Sage »Sárka« weiß Gott keinen Schmusekurs. Aus Zorn über die Untreue ihres Geliebten nimmt sie mit Sárkas Hilfe Rache an der gesamten böhmischen Ritterschaft. »Frenetico«, so die Partituranweisung, bereiten die Damen den Herren ein schmähliches Ende, auf welches die von Generalmusikdirektor Peter Kuhn befeuerten Bielefelder Philharmoniker mit affektgeschulter Schärfe und wildem Drive zustrebten.
Einzig der mittlere Teil der Tondichtung verströmte im Zwiegesang von Klarinette und Violoncello einen kurzen Moment des Glücks. Trunkenheitstaumel -Êschwungvoll und mit ausgefeilter Agogik gesteigert -Êfolgten, ehe das Orchester zum triumphalen Schlachtgemetzel anhob, die verletzte Weiblichkeit zu rächen.
Leidenschaft charakterisiert auch Robert Schumanns Klavierkonzert in a-Moll, das in seiner Empfindsamkeit und engen Verzahnung von Solo- und Orchesterpart zu den schönsten der Romantik zählt. Seit die in Kazan, Russland, geborene Anna Gourari (33) 1994 den ersten internationalen Clara-Schumann-Klavierconcours gewann, erspielte sie sich einen bedeutenden Platz im Klavierolymp. Vor wenigen Jahren erregte sie in der Reihe der Bielefelder Meisterkonzerte Aufsehen mit ihren eigenwilligen Skrjabin-Interpretationen. Dass sie damals wie heute offenbar auf Notentext angewiesen ist, darf bei einer Konzertpianistin ihres Ranges und Rufes zumindest verwundern.
Gleichwohl passt ihr mystifizierender Stil zu Schumanns sehnsüchtig-schwärmerischem Ton. Besonders in ihrer Gestik, aber auch in ihrer Gestaltung der Lautstärke und der Tempi spürt man den eigenwilligen, manchmal schon impulsiv anmutenden Ausdruckswillen dieser Pianistin. Gourari trug dem poetischen Gedanken des Konzerts weitgehend Rechnung, wirkte daneben aber streckenweise erstaunlich fahrig und unkonzentriert -Ê griff in lyrisch verklärten Passagen schon mal daneben oder stolperte Akkordketten herunter. Ein schlechter Tag sei jedem zugestanden. Auch einer Anna Gourari, die in besser sortierten Momenten dann doch noch Proben ihrer grandiosen Pianistik kosten ließ, einfühlsam verflochten mit dem Orchester.
Arnold Schönbergs spätromantische Impression geriet in ihrer dringlichen Klangrede zu einem geheimnisvollen Quell seelischer Konflikte und Befindlichkeiten. Basierend auf Richard Dehmels Gedicht »Verklärte Nacht«, das von einer neuen, bürgerliche Zwänge überwindenden Moral kündet, komponierte Schönberg 1917 ein komplexes Geflecht für Streichorchester, das zwar in seiner die Zwischentöne sezierenden Art nicht an die Fassung für Streichsextett heranreicht, gleichwohl aber in süffig schwelgenden Tönen Seelenlagen charakterisierte. Heftiger Beifall für eine Interpretion, die Sehnsucht und Entfremdung mit Sentiment auffächerte, ohne dabei in süßliche Schmachterei zu verfallen.

Artikel vom 06.06.2006