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Condoleezza Rice,
US-Außenministerin

»Die USA haben im Irak Tausende taktische Fehler gemacht.«

Leitartikel
Die Lage im Irak

Terror statt Frieden und Sicherheit


Von Friedhelm Peiter
Drei Jahre nach dem Kriegsende im Irak ist das Land so weit vom Frieden entfernt wie davor. Amerikaner und Koalitionstruppen haben es nicht geschafft, den Terroristen Mussab el Sarkawi und sein Netzwerk auszuschalten. Bei Anschlägen sunnitischer und schiitischer Milizen kommen fast täglich Dutzende von Menschen ums Leben. Die Nachkriegszeit hat dem Irak nicht Frieden und Sicherheit, sondern Terror und Angst gebracht.
Vom Ziel, nach dem Sturz Saddam Husseins eine funktionierende Zivilgesellschaft zu schaffen, ist der Irak noch weit entfernt. US-Außenministerin Condoleezza Rice hat erst kürzlich eingeräumt, dass die USA beim Wiederaufbau des Iraks »Tausende taktische Fehler« gemacht haben. Der Folterskandal von Abu Ghoreib ist nur ein verheerendes Beispiel.
Die Tötung von 24 Zivilisten in Haditha und der offenkundige Versuch von vorgesetzten Offizieren, die Morde zu vertuschen, wird die Situation der US-Soldaten im Irak weiter verschlechtern. Die Soldaten, die einst als Befreier begrüßt wurden, werden immer mehr als Besatzer und Unterdrücker empfunden.
Immer eindringlicher zeigt sich auch, dass US-Präsident George W. Bush und der britische Premierminister Tony Blair keine politischen Konzepte für die Zeit nach dem Saddam-Sturz hatten. Die Leidtragenden sind die Soldaten, die in den andauernden Kämpfen mit den Sarkawi-Terroristen und den unterschiedlichen Milizen offenbar mehr und mehr die Kontrolle über das Land verlieren. Racheakte an der Zivilbevölkerung wie in Haditha sind die Reaktion völlig überforderter Soldaten.
Immerhin ist es jetzt gelungen, nach freien Wahlen eine Regierung unter Premierminister Nuri al-Maliki mit Vertretern der Schiiten, Sunniten und Kurden zu bilden. Zweifelsohne, zwischen den Volksgruppen muss noch Vertrauen aufgebaut werden. Das zeigt die Tatsache, dass so wichtige Ressorts wie das Innen- und Verteidigungsministerium noch nicht besetzt werden konnten.
Der neuen Regierung ist zu wünschen, dass es ihr gelingt, die Konflikte zwischen den Volksgruppen durch eine glaubwürdige Politik zu entschärfen. Premierminister Maliki hat bereits Pluspunkte gesammelt, in dem er offen »Verbrechen der Amerikaner an Zivilisten« anprangerte und Einsicht in die Ermittlungsakten forderte. Die schwerste Aufgabe Malikis wird es sein, die Milizen zu bewegen, die Waffen niederzulegen.
In naher Zukunft sollten Amerikaner und Briten der Regierung signalisieren, dass sie drei Jahre nach Kriegsende an einen geordneten Rückzug denken und dafür auch Termine nennen. Gleichzeitig muss es einen Termin geben für den Zeitpunkt, an dem irakische Streitkräfte und Polizei die volle Verantwortung für die Sicherheit übernehmen können. Dass so ein Staat entsteht, der politisch und wirtschaftlich auf stabilen Säulen ruht und Terroristen keine Chance lässt, ist jedoch nur eine Hoffnung. Mehr nicht.

Artikel vom 06.06.2006