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Der Kapitän schlägt Alarm

Ballack plädiert vor dem letzten WM-Test für mehr Sicherheits-Fußball

Düsseldorf (dpa). Während der gesamten Vorbereitung hatte sich der Kapitän öffentlich stark zurückgehalten, doch vor der heutigen WM-Generalprobe gegen Kolumbien sorgte Michael Ballack mit einem eindringlichen Warnruf an Jürgen Klinsmann für Aufmerksamkeit.

Der Mittelfeld-Chef forderte acht Tage vor dem Ernstfall gegen Costa Rica nicht nur ein Ende der Experimente beim abschließenden Länderspiel-Test (19.00 Uhr/ZDF) in Mönchengladbach, sondern er rief den Bundestrainer zu einer taktischen Kurskorrektur vom riskanten Hurrastil zu einem kompakten Abwehrverbund auf. »Wir müssen einfach die Defensive stärken, nur so hat man eine Chance, das hat die letzte WM gezeigt«, erklärte Ballack. 30 Stunden vor dem Anpfiff des letzten Stimmungstests vor dem WM-Eröffnungsspiel am 9. Juni in äußerte der Kapitän eine umfangreiche Wunschliste: Ganz oben stehen 90 Minuten ohne Gegentor: »Zu Null spielen gibt Sicherheit und Vertrauen in die eigene Stärke.«
Im mit 45 600 Zuschauern ausverkauften Borussen-Park müsse zudem die WM-Startelf auflaufen, was Klinsmann noch tags zuvor in Frage gestellt hatte. »Wenn man einen Spieler testet, ist das okay, aber das Gerüst muss stehen. Es ist wichtig, dass man Sicherheit bekommt und nicht das letzte Spiel nutzt, um zu testen«, bemerkte Ballack, der wie alle Kollegen nach dem Abpfiff entspannt und zuversichtlich in den zweitägigen Heimaturlaub gehen möchte.
Auch für sich persönlich äußerte Ballack einen Wunsch. Er erwartet, dass drei Tage nach dem ernüchternden 2:2 gegen Japan das Experiment mit ihm im halbrechten Mittelfeld nicht wiederholt wird. »Ich gehe davon aus, dass ich wieder ins Zentrum rücke.« Bei seinem Auftritt vor den Medien ließ der Kapitän durchblicken, dass er offenbar nicht nur für sich sprach, sondern die Ansichten im deutschen WM-Kader gebündelt nach Außen tragen wollte. »Wenn jeder seine Meinung kund tut, haben wir ein Chaos«, erklärte er. Der Bundestrainer wisse, »wie ich und einige andere denken«. Er stimme mit Klinsmann auch »in großen Teilen überein« - und auch die Rollen seien absolut klar: »Er ist die entscheidende Figur.«
Ballacks Ansichten basieren auf einer klaren Einschätzung der deutschen WM-Chancen nach langer Testphase unter Klinsmann. »Über zwei Jahre konnten wir die Schwächen nicht abstellen.« Co-Trainer Joachim Löw sah die Probleme gegen Japan allerdings mehr in einer »geistigen Müdigkeit« am Ende der Vorbereitung begründet. Und für eine Behebung der Abwehrprobleme verlangte Klinsmanns Assistent ein kollektiv besseres Defensivverhalten. »Es wird auf die Abwehr eingehauen«, sagte Löw, aber alle seien gefordert: »Wir geben der Mannschaft nicht den Auftrag, blindlings nach vorne zu laufen.« Von einer »Diskrepanz der Denkweise« zwischen dem Kapitän und der sportlichen Leitung könne in »keiner Weise« gesprochen werden, betonte Löw. Gegen Kolumbien setzt Klinsmann wieder auf die Innenverteidiger Metzelder und Mertesacker, auf der linken Deckungsseite kehrt Lahm ins Team zurück.

Artikel vom 02.06.2006