02.06.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Menschen in
unserer Stadt
Helena Ihle
Dolmetscherin

Dass sie zweisprachig aufgewachsen ist, ist für Helena Ihle der Schlüssel zu ihrem Beruf. Die 45-Jährige arbeitet seit einem halben Jahr als Dolmetscherin und Übersetzerin unter anderem bei Gerichtsverhandlungen sowie als gesetzlich bestellte Betreuerin. Geboren wurde sie in Kasachstan, aufgewachsen ist sie in Kirgisistan, 1979 zog sie mit ihrer Familie nach Deutschland. »Da meine Eltern deutschstämmig sind, habe ich als Kind neben Russisch auch immer Deutsch gesprochen«, erzählt Helena Ihle.
Nachdem sie das deutsche Abitur nachgeholt hatte, studierte sie in Hannover Gartenbau und arbeitete nach dem Diplom als Agrar-Ingenieurin bei einem Unternehmen, das sich auf die Züchtung von Zuckerrüben spezialisiert hat. Ihr Aufgabenfeld dort war der russische Markt. »So war ich in sämtlichen GUS-Staaten bis nach Wladiwostok unterwegs, hielt Vorträge über Bodenbearbeitung und Gentechnik.«
Als vor neun Jahren ihre Tochter Isidora geboren wurde, zog Helena Ihle nach Bielefeld und fand hier eine Stelle, in der sie als Übersetzerin arbeitete. »Als ich dann später arbeitslos wurde, wollte ich mich nicht langweilen, sondern mich für etwas sinnvolles einsetzen«, erzählt sie.
Über die Freiwilligen-Agentur bekam sie schließlich Kontakt zu dem Verein »Kreis 74«, der in der Straffälligenhilfe aktiv ist. Seit einem Jahr unterrichtet sie in der Haftanstalt Bielefeld-Brackwede II russische Gefangene in deutscher Sprache. Grammatik und Leseübungen stehen dann auf dem Programm, vor allem aber ganz praktische Dinge. »Die Gefangenen fragen mich nach der Bedeutung bestimmter Ausdrücke aber auch nach Besonderheiten aus dem Alltag in Deutschland, die sie nicht verstehen. So verbessere ich nicht nur die Sprachkenntnisse, sondern vermittle auch zwischen den Kulturen und wecke Verständnis für Traditionen.«
Neben diesem Unterricht, den sie nach einer ehrenamtlichen Zeit nun im Auftrag der »Kirche hinter Gittern« gibt, hofft sie für ihre berufliche Zukunft auf mehr Aufträge als gerichtlich zugelassene Dolmetscherin und Übersetzerin. Und wenn sie einmal nicht arbeitet, entspannt sie beim Sport oder musizieren mit ihrer Tochter Isodora. Hendrik Uffmann

Artikel vom 02.06.2006