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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Hans-Jürgen Feldmann


In der klassischen Pfingstgeschichte (Apg. 2) gibt es zwei Arten zu reden: Ein chaotisches Durcheinander und eine klar durchdachte Predigt. Erst reden alle auf einmal, und Menschen aus verschiedenen Nationen bekommen trotzdem ohne Dolmetscher etwas mit, vernehmen es sogar in ihrer eigenen Sprache. Dann redet einer allein, deutlich verkündigend.
Daß Menschen unterschiedlicher sprachlicher Herkunft nicht nur ein Kauderwelsch vernehmen, sondern von den großen Taten Gottes hören, ist eine Ouvertüre der weltweiten Kirche, die in manchen Kontinenten im Unterschied zu Westeuropa sehr lebendig ist, und somit schon eine Art Globalisierung. Aber auch das Thema Gleichberechtigung hat am Pfingstfest seinen Ursprung: Die natürlichen Unterschiede wie Volkszugehörigkeit, Geschlecht, soziale Stellung werden zweitrangig, weil alle Menschen zu hören bekommen, daß sie Gottes Kinder sind.
Dies ist eine völlig neue Sicht, die es im Altertum noch nicht gab und die es auch in anderen Religionen so nicht gibt. Sie ist nicht erst eine Erfindung der Neuzeit, sondern gründet in dem neuen Geist, der mit Jesus Christus unauslöschlich in die Welt gekommen ist und in ihr bleibt. Die westliche Welt hat sie jedoch nicht ein für allemal gepachtet, sondern kann sie - wie gerade das 20. Jahrhundert gezeigt hat - auch wieder verspielen und verlieren.
Zwei Arten zu reden - darin verbirgt sich der Hinweis, daß Gott auf unterschiedliche Weise und auf verschiedenen Stufen mit Menschen Kontakt aufnimmt und zu ihnen spricht. Da ist etwa ein Jugendlicher mitten in seiner Pubertät. Er merkt, daß seine Eltern ihn längst nicht so beschützen können, wie ihm das als Kind noch selbstverständlich war. Außerdem möchte er selbst manches anders machen als sie. Doch zugleich spürt er Züge in seinem Wesen, die ihm zu schaffen machen, ja ihm gefährlich werden könnten. Es brodelt in ihm. Die Lust, zu leben und sich zu erproben, und die Angst vor dem Leben mischen sich. Wohin will es mit mir hinaus? Was ist der geheime Plan meines Lebens? Was für ein Gedanke, was für ein Konzept verbirgt sich dahinter? Hoffentlich etwas Gutes.
Das ist eine Stufe, auf der etwas keimt - zunächst ein Gefühl der Verunsicherung und eine diffuse Sehnsucht. In Wirklichkeit jedoch ist es das Verlangen nach einem ganz anderen, der dieses junge Menschenkind kennt und mit ihm geht über die Höhen und durch die finsteren Täler seines Daseins. So drückt sich ein Teeanger selbst wohl nicht aus. Es ist noch nicht seine eigene Sprache, aber es ist doch schon eine Sprache, die zu ihm spricht, und mit der Zeit wird sie vielleicht noch deutlicher, und er hört daraus die Stimme Jesu, der auch ihm sagt: »Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.«
Es gibt nämlich eine vorbereitende, noch verschwommen erscheinende Sprache des Heiligen. Diese kann auch jemanden wie ein Sturmwind zunächst einmal erschüttern und ihm vermeintlich Sicherheiten wegbrechen. Doch wie auch immer: Sie schafft die Basis, auf der die lebenschaffenden Worte des Evangeliums wie Glaube, Liebe, Gnade, Vergebung, Hoffnung, ewiges Leben einen Menschen überhaupt erst erreichen. Dabei aber geht ihnen ein Licht auf, und es kommt Wärme in ihr Dasein. Das will die Pfingstgeschichte mit dem Symbol der Feuerflammen auf den Köpfen der Jünger wohl auch andeuten.
Die erste Pfingstpredigt nimmt Bezug auf das prophetische Wort: Ich »will ... ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch.« Der Heilige Geist erweitert das Bewußtsein, macht die Welt transparent für den Reichtum Gottes. Er erschließt die Gegenwart Jesu Christi, sendet Signale seiner Nähe. Umgekehrt verschwindet die Blasiertheit, immer schon alles zu wissen und einordnen zu können. Statt dessen lernen Menschen, wieder zu staunen und den Geheimnissen des Lebens ehrfürchtig zu begegnen. Sie werden dankbarer und vielleicht sogar öfter glücklich.

Artikel vom 03.06.2006